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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0690
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670 Jenseits von Gut und Böse

177, 14-19 was bedeutet dies Alles, wenn nicht eine Anbröckelung der weibli-
chen Instinkte, eine Entweiblichung? Freilich, es giebt genug blödsinnige Frauen-
Freunde und Weibs-Verderber unter den gelehrten Eseln männlichen Geschlechts,
die dem Weibe anrathen, sich dergestalt zu entweiblichen] Das Stichwort der
„Entweiblichung“, das die gesellschaftliche Entwicklung zusammenfasst, die
JGB 239 als Verlust weiblicher Besonderheit unter dem Joch einer allgemeinen
Gleichmacherei geißelt, verwendet N. sonst nur noch in KGW IX 5, W I 8, 173,
12, dort als Kapitelüberschrift einer Werkdisposition. Er nimmt damit einen Be-
griff aus Julius Bahnsens Widerspruch im Wissen und Wesen der Welt auf, aus
einer Passage, die die Argumentation von JGB 239 über weite Strecken antizi-
piert: „Es geschieht ja ganz im Sinne Derer, welche behaupten, die Natur des
Weibes halte bereits in darwinistischer Entwickelungsweise Schritt mit solchen
Nivellirpostulaten [sc. nach einer „abstracten »Gleichheit“4], das specifisch
»Weibliche4 sei im Hinschwinden, die Geschlechtsunterschiede begönnen sich
bereits auch äusserlich zu verwischen — /155/ wenn solchen (wirklichen oder
vermeintlichen) Wahrnehmungen die Tendenz parallel läuft, bei Abschlies-
sung des Ehevertrages die Gleichheit der Paciscenten mit allem Nachdruck he-
rauszukehren. Man nennt das im Geist Stuart Mills: die letzte Spur der Sklaven-
stellung des Weibes solle ausgetilgt werden. Was aber sagt die Natur hierzu?
Zweierlei! — Einmal, dass grade die edelsten Frauen — die Gegner legen dies
Epitheton dann freilich als eine petitio principii aus — nimmermehr verzichten
wollen auf das Vorrecht ihrer Inferiorität, sie wollen, ob auch die höchste
Bildung sie zu voller Selbständigkeit befähige, nicht lassen von jener autono-
men Hingebung des eigenen Selbst, noch von der freien Unterordnung, ohne
die sie ihrem innersten Wesen, als welches sie zu solch zwangloser Unterwür-
figkeit hindrängt, nimmermehr würden Genüge schaffen können. / Und auf
der andern Seite ist’s die Natur, deren Stimme wir die Lehre entnehmen, dass
die ungehemmte Folgerichtigkeit jenes Gleichheitsprincips hinausläuft auf
eine Entweiblichung, die schon nicht ermangelt — wenigstens jenseits des Oce-
ans — auch die entsprechenden physiologischen Thatsachen nach sich zu zie-
hen. Oder wie anders kam es, dass bereits eine dickleibige Erörterung der ethi-
schen Grundprobleme nicht umhin konnte, auch die Eventualität eines sich
weiter ausbreitenden Gebärstrikes in den Kreis ihrer Betrachtung zu ziehen?“
(Bahnsen 1882, 2, 154 f.).
177, 28-30 macht sie täglich hysterischer und zu ihrem ersten und letzten Beru-
fe, kräftige Kinder zu gebären, unbefähigter] Zum Hysterie-Diskurs im 19. Jahr-
hundert siehe NK KSA 6, 22, 26-30. Bebel 1883, 1 polemisierte dagegen, die
Frauen auf ihren angeblichen „»Naturberuf4 als Hauswirthinnen und Kinderge-
bärerinnen“ zu reduzieren, zumal „die Ehe für sie zum Joch und zur Sklaverei“
(ebd., 2) geworden sei.
 
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