Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0713
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stellenkommentar JGB 245, KSA 5, S. 187 693

postrevolutionär-romantisches Epochenphänomen, für das sowohl Beethoven
als auch Wagner und Lord Byron (vgl. 187, 24) standen. Beethoven bei N. ist
ganz und gar ein Kind seiner Zeit, während Wagners Beethoven seine Zeit ins
Überzeitliche transzendiert hat.
Zwar erinnerte Wagner daran, dass Beethoven seine Dritte Symphonie, die
Eroica dem „jungen General Bonaparte“ gewidmet, diese Widmung jedoch
nach Napoleons Selbstkrönung zum Kaiser zerrissen hatte. Aber dieser unleug-
bare Zeitbezug kann nach Wagner keineswegs zu erklären helfen, was Beetho-
vens Musik ausmacht, aus welchen Quellen sie sich speist: „Ich glaube, das
Sicherste, was wir über den Menschen Beethoven erfahren können, wird im
allerbesten Falle zu dem Musiker Beethoven in dem gleichen Verhältnisse ste-
hen, wie der General Bonaparte zu der ,Sinfonia eroica‘. Von dieser Seite des
Bewußtseins betrachtet, muß uns der große Musiker stets ein vollkommenes
Geheimniß bleiben.“ (Wagner 1870, 4) Um das Geheimnis zu ergründen, behalf
sich Wagner mit der Musikphilosophie Schopenhauers, die es ihm erlaubte,
Beethoven in fast allem seiner historischen Bedingtheit zu entkleiden. Jedoch
bestimmte eine besondere Bedingtheit nach Wagner sehr wohl Beethovens Ge-
nius, nämlich sein Deutschsein, wollte Wagner doch nichts Geringeres nach-
weisen, als dass durch Beethoven, „da er denn in der reinsten Sprache aller
Völker redete, der deutsche Geist den Menschengeist von tiefer Schmach erlös-
te“ (ebd., 26). N.s späte Äußerungen wiederum finden in Beethovens Werk eine
Abkehr von gesamteuropäischer Rezipierbarkeit des deutschen Musikschaffens
hin zu einem deutschen Sonderweg, jedoch bleibt dieses Werk noch in gesamt-
europäischen Abhängigkeiten. Die Verbindung Beethovens mit Jean-Jacques
Rousseau (den N. als Wegbereiter einer moderner Egalitarität und Demokratie
verachtete, vgl. z. B. NK KSA 6, NK 111, 4 f. u. NK KSA 6, 150, 9-21), teilweise
im Verein mit der Französischen Revolution und mit Napoleon, behauptete N.
auch in MA II WS 216, KSA 2, 651, 34-652, 1 sowie gelegentlich im Nachlass
(z.B. NL 1884, KSA 11, 25[419], 121, 25 f.; NL 1885, KSA 11, 35[65], 539, 7-10,
entspricht KGW IX 4, W I 3, 70, 36-38 u. 71, 22). In der N. nach GM III 19
offensichtlich bekannten Beethoven-Biographie von Alexander Wheelock
Thayer (vgl. NK KSA 5, 386, 28-31) konnte N. aus einem zeitgenössischen Be-
richt die Behauptung finden: Beethovens „Character war dem von Jean Jacques
Rousseau sehr ähnlich“ (Thayer 1866-1879, 2, 364).
187, 31 f. Weber: aber was ist uns heute Freischütz und Oberon!] Carl Maria
von Webers (1786-1826) romantische Oper Der Freischütz wurde 1821 in Berlin
uraufgeführt, Oberon, or The Elf Kings Oath zuerst auf Englisch 1826 in London
(die deutsche Version folgte im selben Jahr in Leipzig). Weber kommt in N.s
Schriften nur selten vor.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften