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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0717
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Stellenkommentar JGB 246, KSA 5, S. 188-189 697

ehe beißen, zischen, schneiden will u Jener Andere, dem die Worte zögernd
wie von einer ver rder'1 Decke einer feuchten Höhle herabtropfen, kalt, mit ei-
nem dumpfen Widerhall. / Daß rzum nächsten Verständnisse'' jedes Satzes,
jede Stil=Art ihr Tempo hat "eines jedes Satzes gehört: zu wissen rnöthig ist
noth thut: daß man nicht im Zw. ist"1, in welchem Tempo er läuft, ob-1 rob er
vielleicht-1 die Reize der Tempo=Wechsel, rAber wer runter D/ weiß, wer fordert
von sich zu wissen, oder versucht, ob er"1 die staccati u. rubati rvorher giebf1,
daß man die rüber die-1 metrisch entscheidenden Silben fühlt daß rnicht im
Zweifel ist, - daß man-1 der Satz [alsj ein klingendes Ganze ist rnimmt u. hort'1,
daß die Consonanten u. Diphthonge in ihrem Hinter- und NebenrGegen'1einan-
der sich umfärben u. "an'1 neu 'neu'1 abtönen / Welche Marter sind deutsch
geschriebene Bücher für den Jeden"1, der Ohren hat! - Wie unwillig sieht er
rsteht er neben'1 diesem langsam sich drehenden Sumpfe von Klängen u.
Rhythmen zu, welcher bei den Deutschen ein ,Buch‘ heißt! rUnd gar dann der
D. als Bücherleser:'1 Der Gedanke [daran schüttelt ihn.J an den Deutschen als
Bücherleser schüttelt ihn. / ist es wahr, daß der D. zur Musik angelegt ist?“
Eine detaillierte Analyse des Transformationsschicksals von KGW IX 5, W I 8,
266, 2-28 zu JGB 246 unternehmen Born/Pichler 2013,19-29; zur Interpretation
von JGB 246 noch ohne den Hintergrund des Nachlass-Notates Renzi 1997a;
zum darin obwaltenden Rhythmus-Verständnis Benne 2012. Immer wieder ha-
ben Leser diesen Abschnitt als performative Demonstration von N.s eigenem
Stilwillen gedeutet.
189, 2 f. Welche Marter sind deutsch geschriebene Bücher für Den, der das
dritte Ohr hat!] Die einprägsame und gerne aufgenommene Metapher vom
„dritten Ohr“ (vgl. z. B. Renzi 1997a, 331 f.) fehlt in der Aufzeichnung KGW IX
5, W I 8, 266, 22, die zugrunde liegt: „Welche Marter sind deutsch geschriebene
Bücher für den Jeden'1, der Ohren hat!“ In dieser Fassung klingt noch das von
N. gern variierte Bibelwort Matthäus 13, 9 nach (vgl. NK KSA 6, 35, 8). Trotz
seiner Eingängigkeit benutzte N. das Bild vom dritten Ohr einzig an dieser Stel-
le. Obschon manch literaturhistorisch unbedarfte Interpreten die Rede vom
„dritten Ohr“ für eine ingeniöse Innovation N.s halten, handelt es sich in
Wahrheit doch um einen alten mythologisch(-lyrisch)en Topos, der sich darauf
bezieht, dass nach Sosibios (FGrHist 595 F 25) der Gott Apollon im Krieg zu-
gunsten der Spartaner mit vier Armen und vier Ohren eingegriffen hat, weswe-
gen sein Kultbild in Amyklai entsprechend ausgesehen haben soll. In der be-
kannten poetologisch-polemischen Ode Klage eines Gedichts (1796) lässt Fried-
rich Gottlieb Klopstock das Gedicht, nämlich seinen Messias, selbst als
handelnde Person auftreten, die sich über ihre schlechte französische Überset-
zung beschwert und dazu den spartanischen Apollon anruft: „Auch dem drit-
ten Ohr des lacedämonischen Phöbus / Fleht’ ich umsonst“ (Klopstock 1831, 2,
 
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