706 Jenseits von Gut und Böse
gen, unendlicher Bedeutungen, die ganze Romantik und Erhabenheit der mo-
ralischen Fragezeiehenrwürdigkeiten'' - und folglich ''gerade'' vielleicht den an-
ziehendsten rverfänglichsten und ausgesuchtesten Their Far- rjener Far^ben-
spiele und rVerführungen zum Leben'', in welchen [deren NachschimmerJ
heute der Himmel unsrer europäischen Cultur, ihr Abend-Himmel - glüht, und
r- vielleicht'' verglüht. Wir Artisten unter den Zuschauern und Philosophen
sind ''dafür'' ihnen rden Juden'' dankbar ''dafür'1. — Es war ein Gefühl jüdischer
Herkunft, das über den Tiefen des Schopenhauerschen Denkens gebreitet lag,
cs war ein gründlich jüdischer Fluch, den er einstmals gegen uns Immoralistcn
schleuderte-Er hat damit Unrecht: aber wir sind ihm dankbar dafür —“.
Gemeint ist Schopenhauers von N. gerne bemühtes, noch die Titelgebung von
AC inspirierendes Verdikt gegen denjenigen, „der die Welt der moralischen Be-
deutsamkeit entkleidet“ (NL 1885, KSA 11, 39[15], 626, 7f., entspricht KGW IX
2, N VII2,179, 22-24) aus den Parerga und Paralipomena (II 8: Zur Ethik. § 110):
„Daß die Welt bloß eine physische, keine moralische, Bedeutung habe, ist der
grösste, der verderblichste, der fundamentale Irrthum, die eigentliche Per-
versität der Gesinnung, und ist wohl im Grunde auch Das, was der Glaube
als den Antichrist personificirt hat“ (Schopenhauer 1873-1874, 6, 215. In N.s
Ausgabe mit Eselsohr markiert). Um das Judentum oder die jüdische Herkunft
des moralischen Universalismus von unerfüllbaren, erhabenen Forderungen
geht es bei Schopenhauer an dieser Stelle nicht; der Schlenker zu Schopenhau-
er bricht überdies das Allgemeinheits- und Erhabenheitsniveau, das KGW IX 5,
W18, 287, 2-24 sonst auszeichnet, und steigt in die Niederungen der Einzelfälle
hinab. Das könnte ein Mittel sein, den Allgemeinheits- und Erhabensheitsan-
spruch der jüdischen Moral zu konterkarieren, droht aber den Spannungsbo-
gen abbrechen zu lassen. Jedenfalls entschloss N. sich zur Streichung.
In seiner Antisemitischen Correspondenz publizierte Theodor Fritsch 1887
eine giftige Invektive gegen N.s angeblichen Philosemitismus (Der Antisemitis-
mus im Spiegel eines „Zukunfts-Philosophen“), bei der er JGB 250 zitiert und mit
den Worten einführt: „Dem Juden fehlt eben das beste Teil zum Menschen.
Was Wunder, wenn ein philosophischer Seicht-Fischer wie Herr Nietzsche, des-
sen Netz nicht zu den Perlen der Wahrheit auf den Grund hinabreicht, die Ver-
standes-Schaumblasen der modernen Erfolgs-Affen auffischte und die Goldfi-
sche der Schacher-Börse für das wahre Gold der tiefsten Weisheit hinnahm.
Was Wunder, meine ich, wenn solch ein Philosoph seinen Narren am Juden
fraß.“ (KGB III 7/3, 2, 942 f.) Auch N.s Mutter nahm Anstoß an diesen vermeint-
lich so judenfreundlichen Äußerungen ihres Sohnes und der öffentlichen Reak-
tion darauf, wie sie in ihrem Brief vom 05.12.1887 ihm gegenüber bekundete:
„Ob es richtig oder unrichtig ist, ich kann nichts Ungleiches über Dich hören,
es verdirbt mir auf Wochen das Leben und warum? Aendern kann ich es doch
gen, unendlicher Bedeutungen, die ganze Romantik und Erhabenheit der mo-
ralischen Fragezeiehenrwürdigkeiten'' - und folglich ''gerade'' vielleicht den an-
ziehendsten rverfänglichsten und ausgesuchtesten Their Far- rjener Far^ben-
spiele und rVerführungen zum Leben'', in welchen [deren NachschimmerJ
heute der Himmel unsrer europäischen Cultur, ihr Abend-Himmel - glüht, und
r- vielleicht'' verglüht. Wir Artisten unter den Zuschauern und Philosophen
sind ''dafür'' ihnen rden Juden'' dankbar ''dafür'1. — Es war ein Gefühl jüdischer
Herkunft, das über den Tiefen des Schopenhauerschen Denkens gebreitet lag,
cs war ein gründlich jüdischer Fluch, den er einstmals gegen uns Immoralistcn
schleuderte-Er hat damit Unrecht: aber wir sind ihm dankbar dafür —“.
Gemeint ist Schopenhauers von N. gerne bemühtes, noch die Titelgebung von
AC inspirierendes Verdikt gegen denjenigen, „der die Welt der moralischen Be-
deutsamkeit entkleidet“ (NL 1885, KSA 11, 39[15], 626, 7f., entspricht KGW IX
2, N VII2,179, 22-24) aus den Parerga und Paralipomena (II 8: Zur Ethik. § 110):
„Daß die Welt bloß eine physische, keine moralische, Bedeutung habe, ist der
grösste, der verderblichste, der fundamentale Irrthum, die eigentliche Per-
versität der Gesinnung, und ist wohl im Grunde auch Das, was der Glaube
als den Antichrist personificirt hat“ (Schopenhauer 1873-1874, 6, 215. In N.s
Ausgabe mit Eselsohr markiert). Um das Judentum oder die jüdische Herkunft
des moralischen Universalismus von unerfüllbaren, erhabenen Forderungen
geht es bei Schopenhauer an dieser Stelle nicht; der Schlenker zu Schopenhau-
er bricht überdies das Allgemeinheits- und Erhabenheitsniveau, das KGW IX 5,
W18, 287, 2-24 sonst auszeichnet, und steigt in die Niederungen der Einzelfälle
hinab. Das könnte ein Mittel sein, den Allgemeinheits- und Erhabensheitsan-
spruch der jüdischen Moral zu konterkarieren, droht aber den Spannungsbo-
gen abbrechen zu lassen. Jedenfalls entschloss N. sich zur Streichung.
In seiner Antisemitischen Correspondenz publizierte Theodor Fritsch 1887
eine giftige Invektive gegen N.s angeblichen Philosemitismus (Der Antisemitis-
mus im Spiegel eines „Zukunfts-Philosophen“), bei der er JGB 250 zitiert und mit
den Worten einführt: „Dem Juden fehlt eben das beste Teil zum Menschen.
Was Wunder, wenn ein philosophischer Seicht-Fischer wie Herr Nietzsche, des-
sen Netz nicht zu den Perlen der Wahrheit auf den Grund hinabreicht, die Ver-
standes-Schaumblasen der modernen Erfolgs-Affen auffischte und die Goldfi-
sche der Schacher-Börse für das wahre Gold der tiefsten Weisheit hinnahm.
Was Wunder, meine ich, wenn solch ein Philosoph seinen Narren am Juden
fraß.“ (KGB III 7/3, 2, 942 f.) Auch N.s Mutter nahm Anstoß an diesen vermeint-
lich so judenfreundlichen Äußerungen ihres Sohnes und der öffentlichen Reak-
tion darauf, wie sie in ihrem Brief vom 05.12.1887 ihm gegenüber bekundete:
„Ob es richtig oder unrichtig ist, ich kann nichts Ungleiches über Dich hören,
es verdirbt mir auf Wochen das Leben und warum? Aendern kann ich es doch