Stellenkommentar JGB 251, KSA 5, S. 192-193 709
Beispiel über die Juden: man höre. -] Diese selbstkritische Äußerung lässt sich
auf N.s früheres Engagement für die Sache Wagners und für eine Erneuerung
der deutschen Kultur im Geiste Bayreuths beziehen, das auch von Antisemitis-
mus nicht frei war (vgl. z. B. NK KSA 1, 68, 34-69, 8). Jedoch zeigt die Genese
des Abschnitts (vgl. oben NK ÜK JGB 251), dass N. weniger seine Vergangenheit
als vielmehr das interessierte, was im Drucktext von 193, 4 an folgt - Überle-
gungen, die er beim Wiederlesen in W I 4 und W I 5 dann offensichtlich als
tagespolitisch infiziert betrachtete.
193, 6-9 von Seiten aller Vorsichtigen und Politischen sein mag, so richtet sich
doch auch diese Vorsicht und Politik nicht etwa gegen die Gattung des Gefühls
selber] In KGW IX 4, W I 5, 8, 24-28 hieß es stattdessen ursprünglich: „von
Seiten aller Besonnenen sein mag, so richtet sich doch auch diese Besonnen-
heit nicht etwa gegen die Gattung des Gefühls selber“.
193,10 f. abgeschmackten und schandbaren Ausdruck] In KGW IX 4, W I 5, 8,
30 hieß es stattdessen ursprünglich „abgeschmackten und agitatorischen Aus-
druck“.
193,19-23 „Keine neuen Juden mehr hinein lassen! Und namentlich nach dem
Osten (auch nach Ostreich) zu die Thore zusperren!“ also gebietet der Instinkt
eines Volkes, dessen Art noch schwach und unbestimmt ist, so dass sie leicht
verwischt, leicht durch eine stärkere Rasse ausgelöscht werden könnte.] Die
Angst vor den Juden, die aus Osteuropa ungehindert nach Deutschland ein-
dringen, ist ein bestimmendes Motiv in den antisemitischen Bekundungen der
Zeit. Berühmt und berüchtigt geworden sind Heinrich von Treitschkes ein-
schlägige Äußerungen in seinem Aufsatz Unsere Aussichten von 1879 (vgl. NK
KSA 6, 358, 33-359, 3): „Die Zahl der Juden in Westeuropa [sc. in Frankreich
und Großbritannien] ist so gering, daß sie einen fühlbaren Einfluß auf die Ge-
sittung nicht ausüben können; über unsere Ostgrenze aber dringt Jahr für Jahr
aus der unerschöpflichen polnischen Wiege eine Schaar strebsamer hosenver-
kaufender Jünglinge herein, deren Kinder und Kindeskinder dereinst Deutsch-
lands Börsen und Zeitungen /573/ beherrschen sollen; die Einwanderung
wächst zusehends, und immer ernster wird die Frage, wie wir dies fremde
Volksthum mit dem unseren verschmelzen können.“ (Treitschke 1879b, 572 f.)
Im Weiteren folgte Treitschke einer Argumentationslinie, die JGB 251 ebenfalls
aufnimmt, nämlich derjenigen einer angeblichen Schwäche des noch ungefes-
tigten deutschen Volkes gegenüber den starken Juden: „Was die Juden in
Frankreich und England zu einem unschädlichen und vielfachen wohlthätigen
Elemente der bürgerlichen Gesellschaft gemacht hat, das ist im Grunde doch
die Energie des Nationalstolzes und die festgewurzelte nationale Sitte dieser
beiden alten Culturvölker. Unsere Gesittung ist jung; uns fehlt noch in unserem
Beispiel über die Juden: man höre. -] Diese selbstkritische Äußerung lässt sich
auf N.s früheres Engagement für die Sache Wagners und für eine Erneuerung
der deutschen Kultur im Geiste Bayreuths beziehen, das auch von Antisemitis-
mus nicht frei war (vgl. z. B. NK KSA 1, 68, 34-69, 8). Jedoch zeigt die Genese
des Abschnitts (vgl. oben NK ÜK JGB 251), dass N. weniger seine Vergangenheit
als vielmehr das interessierte, was im Drucktext von 193, 4 an folgt - Überle-
gungen, die er beim Wiederlesen in W I 4 und W I 5 dann offensichtlich als
tagespolitisch infiziert betrachtete.
193, 6-9 von Seiten aller Vorsichtigen und Politischen sein mag, so richtet sich
doch auch diese Vorsicht und Politik nicht etwa gegen die Gattung des Gefühls
selber] In KGW IX 4, W I 5, 8, 24-28 hieß es stattdessen ursprünglich: „von
Seiten aller Besonnenen sein mag, so richtet sich doch auch diese Besonnen-
heit nicht etwa gegen die Gattung des Gefühls selber“.
193,10 f. abgeschmackten und schandbaren Ausdruck] In KGW IX 4, W I 5, 8,
30 hieß es stattdessen ursprünglich „abgeschmackten und agitatorischen Aus-
druck“.
193,19-23 „Keine neuen Juden mehr hinein lassen! Und namentlich nach dem
Osten (auch nach Ostreich) zu die Thore zusperren!“ also gebietet der Instinkt
eines Volkes, dessen Art noch schwach und unbestimmt ist, so dass sie leicht
verwischt, leicht durch eine stärkere Rasse ausgelöscht werden könnte.] Die
Angst vor den Juden, die aus Osteuropa ungehindert nach Deutschland ein-
dringen, ist ein bestimmendes Motiv in den antisemitischen Bekundungen der
Zeit. Berühmt und berüchtigt geworden sind Heinrich von Treitschkes ein-
schlägige Äußerungen in seinem Aufsatz Unsere Aussichten von 1879 (vgl. NK
KSA 6, 358, 33-359, 3): „Die Zahl der Juden in Westeuropa [sc. in Frankreich
und Großbritannien] ist so gering, daß sie einen fühlbaren Einfluß auf die Ge-
sittung nicht ausüben können; über unsere Ostgrenze aber dringt Jahr für Jahr
aus der unerschöpflichen polnischen Wiege eine Schaar strebsamer hosenver-
kaufender Jünglinge herein, deren Kinder und Kindeskinder dereinst Deutsch-
lands Börsen und Zeitungen /573/ beherrschen sollen; die Einwanderung
wächst zusehends, und immer ernster wird die Frage, wie wir dies fremde
Volksthum mit dem unseren verschmelzen können.“ (Treitschke 1879b, 572 f.)
Im Weiteren folgte Treitschke einer Argumentationslinie, die JGB 251 ebenfalls
aufnimmt, nämlich derjenigen einer angeblichen Schwäche des noch ungefes-
tigten deutschen Volkes gegenüber den starken Juden: „Was die Juden in
Frankreich und England zu einem unschädlichen und vielfachen wohlthätigen
Elemente der bürgerlichen Gesellschaft gemacht hat, das ist im Grunde doch
die Energie des Nationalstolzes und die festgewurzelte nationale Sitte dieser
beiden alten Culturvölker. Unsere Gesittung ist jung; uns fehlt noch in unserem