Stellenkommentar JGB 253, KSA 5, S. 196-197 717
schäft mittelmäßiger Geister Nützlichkeit attestiert - aber entgegen dem utilita-
ristischen Kalkül nicht größtmöglicher Nutzen für die größtmögliche Zahl, son-
dern Nutzen für die „hochgearteten und abseits fliegenden Geister“ (197, lf.),
die weder für wissenschaftliche Detailarbeit noch für regelgeleitetes Denken
disponiert sind. Davon entlasten sie die mittelmäßigen Geister.
197, 8-14 Die Kluft zwischen Wissen und Können ist vielleicht grösser, auch un-
heimlicher als man denkt: der Könnende im grossen Stil, der Schaffende wird
möglicherweise ein Unwissender sein müssen, — während andererseits zu wissen-
schaftlichen Entdeckungen nach der Art Darwin’s eine gewisse Enge, Dürre und
fleissige Sorglichkeit, kurz, etwas Englisches nicht übel disponiren mag.] N. hat
Darwin zum Vorwurf gemacht, er modelliere die Natur nach dem Vorbild von
Thomas Robert Malthus als Sphäre von Mangel und Not statt von Überfülle
und Reichtum (vgl. NK 120, 19-24): „Man soll nicht Malthus mit der Natur ver-
wechseln.“ (GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 14, KSA 6, 120, 25) Die Anre-
gung dazu hatte N. aus William Henry Rolphs Biologischen Problemen ge-
schöpft (Rolph 1884, 82: „Freilich lag der Gedanke ja von vornherein in seiner
Theorie, wie er in derjenigen von Malthus liegt. Darwin bedurfte der
Uebervölkerung als der wesentlichen Ursache des Mangels und damit des
Kampfes um’s Dasein. Denn der Kern seiner Theorie ist die Herbeiführung oder
sogar die dauernde Existenz von Mangel in Folge von Uebervölkerung. Dar-
win braucht den Mangel, um den Schwächling auszujäten, den Bevorzugten
aber zu erhalten.“ Letzter Satz von N. mit doppeltem Randstrich markiert). JGB
253 projiziert diesen Mangel unter dem Stichwort der „Dürre“ (197, 13) nun auf
Darwins Theoriebildung selbst, die als von Mangel - eben von Geistesmangel -
bestimmt erscheint und, so wird man ergänzen dürfen, deshalb den Mangel
zum evolutionär bestimmenden Faktor erhebt.
197, 14-29 Vergesse man es zuletzt den Engländern nicht, dass sie schon Ein
Mal mit ihrer tiefen Durchschnittlichkeit eine Gesammt-Depression des europä-
ischen Geistes verursacht haben: Das, was man „die modernen Ideen“ oder „die
Ideen des achtzehnten Jahrhunderts“ oder auch „die französischen Ideen“
nennt — Das also, wogegen sich der deutsche Geist mit tiefem Ekel erhoben
hat —, war englischen Ursprungs, daran ist nicht zu zweifeln. Die Franzosen sind
nur die Affen und Schauspieler dieser Ideen gewesen, auch ihre besten Soldaten,
insgleichen leider ihre ersten und gründlichsten 0pfe r: denn an der verdammli-
chen Anglomanie der „modernen Ideen“ ist zuletzt die äme frangaise so dünn
geworden und abgemagert, dass man sich ihres sechszehnten und siebzehnten
Jahrhunderts, ihrer tiefen leidenschaftlichen Kraft, ihrer erfinderischen Vornehm-
heit heute fast mit Unglauben erinnert.] Zu den „modernen Ideen“, die ein Lieb-
lingsangriffsziel von JGB sind, siehe z. B. NK 23, 27-29. Dass die französische
schäft mittelmäßiger Geister Nützlichkeit attestiert - aber entgegen dem utilita-
ristischen Kalkül nicht größtmöglicher Nutzen für die größtmögliche Zahl, son-
dern Nutzen für die „hochgearteten und abseits fliegenden Geister“ (197, lf.),
die weder für wissenschaftliche Detailarbeit noch für regelgeleitetes Denken
disponiert sind. Davon entlasten sie die mittelmäßigen Geister.
197, 8-14 Die Kluft zwischen Wissen und Können ist vielleicht grösser, auch un-
heimlicher als man denkt: der Könnende im grossen Stil, der Schaffende wird
möglicherweise ein Unwissender sein müssen, — während andererseits zu wissen-
schaftlichen Entdeckungen nach der Art Darwin’s eine gewisse Enge, Dürre und
fleissige Sorglichkeit, kurz, etwas Englisches nicht übel disponiren mag.] N. hat
Darwin zum Vorwurf gemacht, er modelliere die Natur nach dem Vorbild von
Thomas Robert Malthus als Sphäre von Mangel und Not statt von Überfülle
und Reichtum (vgl. NK 120, 19-24): „Man soll nicht Malthus mit der Natur ver-
wechseln.“ (GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 14, KSA 6, 120, 25) Die Anre-
gung dazu hatte N. aus William Henry Rolphs Biologischen Problemen ge-
schöpft (Rolph 1884, 82: „Freilich lag der Gedanke ja von vornherein in seiner
Theorie, wie er in derjenigen von Malthus liegt. Darwin bedurfte der
Uebervölkerung als der wesentlichen Ursache des Mangels und damit des
Kampfes um’s Dasein. Denn der Kern seiner Theorie ist die Herbeiführung oder
sogar die dauernde Existenz von Mangel in Folge von Uebervölkerung. Dar-
win braucht den Mangel, um den Schwächling auszujäten, den Bevorzugten
aber zu erhalten.“ Letzter Satz von N. mit doppeltem Randstrich markiert). JGB
253 projiziert diesen Mangel unter dem Stichwort der „Dürre“ (197, 13) nun auf
Darwins Theoriebildung selbst, die als von Mangel - eben von Geistesmangel -
bestimmt erscheint und, so wird man ergänzen dürfen, deshalb den Mangel
zum evolutionär bestimmenden Faktor erhebt.
197, 14-29 Vergesse man es zuletzt den Engländern nicht, dass sie schon Ein
Mal mit ihrer tiefen Durchschnittlichkeit eine Gesammt-Depression des europä-
ischen Geistes verursacht haben: Das, was man „die modernen Ideen“ oder „die
Ideen des achtzehnten Jahrhunderts“ oder auch „die französischen Ideen“
nennt — Das also, wogegen sich der deutsche Geist mit tiefem Ekel erhoben
hat —, war englischen Ursprungs, daran ist nicht zu zweifeln. Die Franzosen sind
nur die Affen und Schauspieler dieser Ideen gewesen, auch ihre besten Soldaten,
insgleichen leider ihre ersten und gründlichsten 0pfe r: denn an der verdammli-
chen Anglomanie der „modernen Ideen“ ist zuletzt die äme frangaise so dünn
geworden und abgemagert, dass man sich ihres sechszehnten und siebzehnten
Jahrhunderts, ihrer tiefen leidenschaftlichen Kraft, ihrer erfinderischen Vornehm-
heit heute fast mit Unglauben erinnert.] Zu den „modernen Ideen“, die ein Lieb-
lingsangriffsziel von JGB sind, siehe z. B. NK 23, 27-29. Dass die französische