Stellenkommentar JGB 254, KSA 5, S. 197-198 719
tiv wertet. Den Anfang von JGB 254 (198, 4-32) sollte N. in NW Wohin Wagner
gehört, KSA 6, 427, 4-428, 3 mit einigen Variationen wieder aufgreifen. Eine
wichtige Quelle für JGB 254 ist Lefebvre Saint-Ogans Essai sur l’influence fran-
gaise, den N., wie die Lesespuren zeigen, eingehend studiert hat (siehe Cam-
pioni 2010, 34 f.).
198, 4-7 Auch jetzt noch ist Frankreich der Sitz der geistigsten und raffinirtesten
Cultur Europa’s und die hohe Schule des Geschmacks: aber man muss dies
„Frankreich des Geschmacks“ zu finden wissen.] Die zitathaft in Anführungszei-
chen gesetzte Wendung „Frankreich des Geschmacks“ ist die Übersetzung von
„France du (bon) goüt“, derer sich französische Intellektuelle gelegentlich be-
dienten, um sich als Mitglieder einer überlegenen Kulturnation herauszuhe-
ben, vgl. z. B. Janet 1884, 638: „Hegel exprime aussi son admiration pour l’im-
mensite des travaux entrepris par Cousin, et il fait honneur ä la France du goüt
que de telles publications supposent pour les hautes matieres speculatives.“
(„Hegel drückt auch seine Bewunderung für die Gewaltigkeit der von Cousin
unternommenen Arbeiten aus, und es macht dem Frankreich des Geschmacks
Ehre, dass solche Veröffentlichungen sich der höchsten spekulativen Gegen-
stände annehmen.“ Vgl. auch Pougin 1881, 253.) Dass Frankreichs Geschmack
in Europa kulturdominant geworden sei, ist das bestimmende Thema von
Saint-Ogans Essai sur l’influence frangaise (vgl. z. B. Saint-Ogan 1885, 104 f.;
151 u. 200 f.). Norbert Elias hat 198, 4-7 kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im
englischen Exil exzerpiert, vgl. Holzer 2010, 48.
198, 14-18 In der That wälzt sich heut im Vordergründe ein verdummtes und
vergröbertes Frankreich, — es hat neuerdings, bei dem Leichenbegängniss Victor
Hugo’s, eine wahre Orgie des Ungeschmacks und zugleich der Selbstbewunde-
rung gefeiert.] Vgl. NK KSA 6, 427, 16 f. Zehntausende haben Victor Hugo, den
N. als Repräsentationsliteraten der Massengesellschaft ablehnte (vgl. z. B. NK
KSA 6, 111, 8 u. Campioni 2009, 270-274), am 1. Juni 1885 das letzte Geleit
gegeben. N. dürfte die ausführlichen Berichte darüber im Journal des Debats
gelesen haben.
198, 20-28 Vielleicht ist jetzt schon Schopenhauer in diesem Frankreich des
Geistes, welches auch ein Frankreich des Pessimismus ist, mehr zu Hause und
heimischer geworden, als er es je in Deutschland war; nicht zu reden von Hein-
rich Heine, der den feineren und anspruchsvolleren Lyrikern von Paris lange
schon in Fleisch und Blut übergegangen ist, oder von Hegel, der heute in Gestalt
Taine’s — das heisst des ersten lebenden Historikers — einen beinahe tyranni-
schen Einfluss ausübt.] Die Wiederaufnahme dieser Passage in NW Wohin Wag-
ner gehört sollte den geschilderten Einfluss Schopenhauers durch den Hinweis
auf zwei französische Übersetzungen der Welt als Wille und Vorstellung noch
tiv wertet. Den Anfang von JGB 254 (198, 4-32) sollte N. in NW Wohin Wagner
gehört, KSA 6, 427, 4-428, 3 mit einigen Variationen wieder aufgreifen. Eine
wichtige Quelle für JGB 254 ist Lefebvre Saint-Ogans Essai sur l’influence fran-
gaise, den N., wie die Lesespuren zeigen, eingehend studiert hat (siehe Cam-
pioni 2010, 34 f.).
198, 4-7 Auch jetzt noch ist Frankreich der Sitz der geistigsten und raffinirtesten
Cultur Europa’s und die hohe Schule des Geschmacks: aber man muss dies
„Frankreich des Geschmacks“ zu finden wissen.] Die zitathaft in Anführungszei-
chen gesetzte Wendung „Frankreich des Geschmacks“ ist die Übersetzung von
„France du (bon) goüt“, derer sich französische Intellektuelle gelegentlich be-
dienten, um sich als Mitglieder einer überlegenen Kulturnation herauszuhe-
ben, vgl. z. B. Janet 1884, 638: „Hegel exprime aussi son admiration pour l’im-
mensite des travaux entrepris par Cousin, et il fait honneur ä la France du goüt
que de telles publications supposent pour les hautes matieres speculatives.“
(„Hegel drückt auch seine Bewunderung für die Gewaltigkeit der von Cousin
unternommenen Arbeiten aus, und es macht dem Frankreich des Geschmacks
Ehre, dass solche Veröffentlichungen sich der höchsten spekulativen Gegen-
stände annehmen.“ Vgl. auch Pougin 1881, 253.) Dass Frankreichs Geschmack
in Europa kulturdominant geworden sei, ist das bestimmende Thema von
Saint-Ogans Essai sur l’influence frangaise (vgl. z. B. Saint-Ogan 1885, 104 f.;
151 u. 200 f.). Norbert Elias hat 198, 4-7 kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im
englischen Exil exzerpiert, vgl. Holzer 2010, 48.
198, 14-18 In der That wälzt sich heut im Vordergründe ein verdummtes und
vergröbertes Frankreich, — es hat neuerdings, bei dem Leichenbegängniss Victor
Hugo’s, eine wahre Orgie des Ungeschmacks und zugleich der Selbstbewunde-
rung gefeiert.] Vgl. NK KSA 6, 427, 16 f. Zehntausende haben Victor Hugo, den
N. als Repräsentationsliteraten der Massengesellschaft ablehnte (vgl. z. B. NK
KSA 6, 111, 8 u. Campioni 2009, 270-274), am 1. Juni 1885 das letzte Geleit
gegeben. N. dürfte die ausführlichen Berichte darüber im Journal des Debats
gelesen haben.
198, 20-28 Vielleicht ist jetzt schon Schopenhauer in diesem Frankreich des
Geistes, welches auch ein Frankreich des Pessimismus ist, mehr zu Hause und
heimischer geworden, als er es je in Deutschland war; nicht zu reden von Hein-
rich Heine, der den feineren und anspruchsvolleren Lyrikern von Paris lange
schon in Fleisch und Blut übergegangen ist, oder von Hegel, der heute in Gestalt
Taine’s — das heisst des ersten lebenden Historikers — einen beinahe tyranni-
schen Einfluss ausübt.] Die Wiederaufnahme dieser Passage in NW Wohin Wag-
ner gehört sollte den geschilderten Einfluss Schopenhauers durch den Hinweis
auf zwei französische Übersetzungen der Welt als Wille und Vorstellung noch