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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0741
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Stellenkommentar JGB 254, KSA 5, S. 198-199 721

der Form der Schönheit zu betrachten“). Vgl. die weiteren Nachweise und Er-
läuterungen in NK KSA 6, 428, 2 sowie NK KSA 6, 12, 23 f.
199, 4-11 einmal die Fähigkeit zu artistischen Leidenschaften, zu Hingebungen
an die „Form“, für welche das Wort l’art pour l’art, neben tausend anderen, er-
funden ist: — dergleichen hat in Frankreich seit drei Jahrhunderten nicht gefehlt
und immer wieder, Dank der Ehrfurcht vor der „kleinen Zahl“, eine Art Kammer-
musik der Litteratur ermöglicht, welche im übrigen Europa sich suchen lässt] In
der vorbereitenden Notiz KGWIX 2, N VII2, 69,1-2 u. 70,1-24 heißt es stattdes-
sen: „die artistischen Leidenschaften u. Hingebungen an die [litt.] Form, rwel-
che welche seit 3 Jhd. immer aber kleine wieder'' reder Geschmacks-'' Parteien
ru. Gefolgschaften'' bilden, und ein Publikum im Publikum rzu jeder Zeit u.
durch die Ehrfurcht vor der »kleinen ZahV, eine Art Kammermusik der Litte-
ratur ermöglicht haben, die in D. ''bisher'' gefehlt u. gefehlt hat: - man erwäge
doch, was für grobe Ohren die deutschen Gelehrten haben; oder rwenn sie wie
Viele von ihnen'1 haben sie ''überhaupt'1 Ohren über- Man sagt mir, daß sie
haupt Ohren! Sie meinen, schöne Gedanken Man sagt mir, sie hätten keine
Zeit, um Sätze rGedanken u die Sprache'' als Klänge u Rhythmen / man hat es
mir zb. zum Vorwurf angcrcchnct, daß ich / wenn sie überhaupt Ohren haben!
Denn man sagt mir, sie hätten keine Zeit dafür, Ohren, zu haben, und es sei
von hieße ''überhaupt'' zu viel verlangen, sich mit Klängen u. rhythmischen
Sprüngen-“. Zu „l’art pour l’art“ siehe NK 139, 2.
199, 11-16 Das Zweite, worauf die Franzosen eine Überlegenheit über Europa
begründen können, ist ihre alte vielfache moralistische Cultur, welche
macht, dass man im Durchschnitt selbst bei kleinen romanciers der Zeitungen
und zufälligen boulevardiers de Paris eine psychologische Reizbarkeit und Neu-
gierde findet] In KGW IX 2, N VII 2, 69, 4-6 steht statt „moralistische Cul-
tur“ „moralische Cultur“, der Zusatz „de Paris“, „von Paris“ fehlt bei den „bou-
levardiers“, den Boulevard-Gängern. Den französischen Moralisten, die in
knappen Sentenzen Glanz und vor allem Elend des menschlichen Daseins ein-
zufangen verstanden, brachte N. große Hochachtung entgegen, vgl. z. B. NK
KSA 6, 361, 12-17 u. Kruse 2003, 246-262.
199, 21-33 Als Gegensatz zu der deutschen Unerfahrenheit und Unschuld in vo-
luptate psychologica, die mit der Langweiligkeit des deutschen Verkehrs nicht gar
zu fern verwandt ist, — und als gelungenster Ausdruck einer ächt französischen
Neugierde und Erfindungsgabe für dieses Reich zarter Schauder mag Henri Beyle
gelten, jener merkwürdige vorwegnehmende und vorauslaufende Mensch, der mit
einem Napoleonischen Tempo durch sein Europa, durch mehrere Jahrhunderte
der europäischen Seele lief, als ein Ausspürer und Entdecker dieser Seele: — es
hat zweier Geschlechter bedurft, um ihn irgendwie einzuholen, um einige der
 
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