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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0786
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766 Jenseits von Gut und Böse

5, 148, 24 f. bemüht es - , bleibt ein wohlgesetztes Rätsel (vgl. auch Piazzesi
2007, 263). Es ist ein Relikt aus N.s Frühwerk (ZB 3, KSA 1, 706, 32 f.).
220,18 f. inter pares] Lateinisch: „unter Gleichen“.
266.
220, 27f. „Wahrhaft hochachten kann man nur, wer sich nicht selbst sucht
— Goethe an Rath Schlosser.] In NL 1884, KSA 11, 26[245], 215, 4-10 (W I 2)
bringt N. dieses Zitat, dessen Herkunft weder KSA 14, 372 noch KGW VII 4/2,
164 nachweisen können, in ausführlicherer Form: „Goethe (an Rath Schlos-
ser): »wahrhaft hochachten kann man nur, wer sich nicht selbst sucht ... ich
muß gestehn, selbstlose Charaktere dieser Art in meinem ganzen Leben nur
da gefunden zu haben, wo ich ein festgegründetes religiöses Leben fand, ein
Glaubensbekenntniß, das einen unwandelbaren Grund hatte, gleichsam auf
sich selbst ruhte, nicht abhieng von der Zeit, ihrem Geiste, ihrer Wissen-
schaft4.“ Der angebliche Goethe-Ausspruch ist apokryph und lässt sich (dafür
gleich mehrfach) nur im katholischen Milieu der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts nachweisen, namentlich als Motto zu Johannes Janssens Zeit- und
Lebensbildern (Janssen 1876, [II]) sowie zur Neuen Folge von Briefwechsel und
Tagebücher der Fürstin Amalie von Gallitzin (Galitzin [sic] 1876, [II]). In beiden
Fällen ist zur Herkunft nur angegeben: „Goethe an Rath Schlosser“; in beiden
Fällen geht dem in 26[245] Wiedergegebenen noch der Satz voraus: „Die Cha-
raktere, die man wahrhaft hochachten kann, sind seltener geworden.“ Der
Wortlaut in 26 [425] sowie JGB 266 weicht von Janssen und Gallitzin allerdings
ab; dort ist das „sucht“ nicht gesperrt und es heißt: „Wahrhaft hochachten
aber kann man nur, was sich nicht selbst sucht ...“ (Janssen 1876, [II]) bzw.
„Wahrhaft hochachten aber kann man nur das, was sich nicht selbst sucht...“
(Galitzin 1876, [II]).
Die ursprüngliche Quelle ist offensichtlich der mit Goethe bekannte Jurist,
kaiserliche Rat und katholische Konvertit Johann Friedrich Heinrich Schlosser
(1780-1851, vgl. Aus dem Nachlasse von Johann Friedrich Heinrich Schlosser,
4 Bde., Mainz 1856-1859). Schlossers Erinnerungen an angebliche Äußerungen
Goethes dienten dazu, dessen Hochachtung für alles Katholisch-Ganzheitliche
postum ins rechte Licht zu rücken und Goethe der katholisierenden Romantik
anzunähern. N. lässt in seiner Adaption des angeblichen Goethe-Wortes alles
unmittelbar Religiöse weg und beschränkt sich auf den einen Satz, der isoliert
der gnomischen Charakterisierung von Vornehmheit dienen kann: Der Vorneh-
me hat sich immer schon gefunden.
 
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