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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0812
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792 Jenseits von Gut und Böse

sicht frei hat — aber hinab blickt.] Das Eingangszitat hat sich N. auch in NL
1884, KSA 11, 26[253], 216 notiert; es stammt aus Johann Wolfgang von Goethe:
Faust II, V. 11189 f. und kehrt wieder in GD Streifzüge eines Unzeitgemässen
46, KSA 6,148,16 sowie im Blick auf einen Gott „jenseits“ von „Gut und Böse“
in KGW IX 8, W II 5, 189, 48. Zur Interpretation siehe Pestalozzi 2012, 19.

287.
Dieser Abschnitt setzt mit der Titelfrage des Neunten Hauptstücks ein und prä-
zisiert die Frage im zweiten Satz - „Was bedeutet uns heute noch das Wort
,vornehm4?“ (232, 25 f.) - sozusagen sprachkritisch, geht bei der Antwort dann
aber nicht in die Breite, sondern macht die Vornehmheit an einer bestimmten
inneren Befindlichkeit, einer Überzeugung oder einem „Glaube [n]“ (233, 10)
fest. Diese Antwortstrategie überrascht umso mehr, als in N.s Nachlass unter
der gleichen Fragestellung und explizit einleitend für eine Neuausgabe von MA
II VM („Was ist vornehm? Vorrede zu »Vermischte Meinungen und
Sprüche4“ - NL 1885, KSA 11, 35[76], 543, 2f. = KGW IX 4, W I 3, 64, 2) eine
lange Liste von Kriterien entworfen wird, die für Vornehmheit unerlässlich zu
sein scheinen (NL 1885, KSA 11, 35[76], 543-545 = KGW IX 4, W 13, 64 f.). Diese
Liste fasste N. in seinem Brief an Köselitz vom 23. 07.1885 als Arbeitsprodukt
des Vortages zusammen und gab autogenealogisch zu bedenken: „In allen mei-
nen Krankheits-Zuständen fühle ich, mit Schrecken, eine Art Herabziehung zu
pöbelhaften Schwächen, pöbelhaften Milden, sogar pöbelhaften Tugenden —
verstehen Sie das? Oh Sie Gesunder!“ (KSB 7/KGB III/3, Nr. 613, S. 68, Z. 19-22)
So breit und ausführlich die Liste ist - der Fluchtpunkt von JGB 287, nämlich
die„Ehrfucht vor sich“ (233, 15f.) ist dort vollständig abwesend. Auch in
diversen anderen Nachlassnotaten, die die Frage „Was ist vornehm?“ explizit
stellen, kommt Ehrfurcht nicht in den Blick (vgl. NL 1884, KSA 11, 26[468], 274;
NL 1885, KSA 11, 39[3], 620 = KGW IX 2, N VII 2, 191 f.; NL 1884, KSA 11, 40[47],
652 = KGW IX 4, W I 7, 51; NL 1885/86, KSA 12, 1[154], 45 = KGW IX 2, N VII 2,
99; NL 1885/86, KSA 12, 1[189], 53 = KGW IX 2, N VII 2, 72; NL 1885/86, KSA 12,
2[31], 78 = KGW IX 5, W I 8, 204; NL 1885/86, KSA 12, 2[41], 82 = KGW IX 5, W
I 8, 173; NL 1885/86, KSA 12, 2[43] u. 2[44], 83 f. = KGW IX 5, W I 8, 174; NL
1885/86, KSA 12, 2[50] u. 2[51], 86 = KGW IX 5, W I 8, 159; NL 1886/87, KSA 12,
5[50]49, 204 = KGW IX 3, N VII 3, 121). NL 1885/86, KSA 12, 2[16], 74, 18-22
(KGW IX 5, W I 8, 244, 2-10) beantwortet die Frage immerhin mit den Unter-
punkten „Glaube an die Rangordnung. / Arbeit (über Künstler, Gelehrte usw.) /
Heiterkeit (Symptom des Wohlgerathenseins). / Herren-Moral und Heerden-
Moral.“
 
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