Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]; Buckwalter, Stephen E. [Oth.]; Schulz, Hans [Oth.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 10): Schriften zu Ehe und Eherecht — Gütersloh, 2001

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30230#0049
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
3. DIE PREDIGER ALLHIE

45

und daß eine größere Zahl von Straßburger Predigern vertreten ist. Befanden sich lm
vorigen Gutachten unter den Unterzeichneten neben dem Propst von St. Thomas
(Wolfgang Capito) Vertreter der Pfarreien St. Thomas (Anton Firn), St. Aurelien
(Bucer), Alt St. Peter (Theobald Nigri), St. Martin (Symphorian Altbiesser) und St.
Lorenz lm Münster (Matthäus Zell), so kommen in diesem der Pfarrer von St. Niko-
laus (Johannes Latomus) sowie der Münsterprediger Kaspar Hedio hinzu5.
Dieses Gutachten stellt wie die vorigen die Dokumentation einer eherechtlichen
Übergangszeit dar. Obwohl die Entscheidungen des bischöflichen Gerichtes noch
nachwirken, hat es seinen Anspruch auf die Ehejudikatur eingebüßt; der Straßburger
Rat wiederum hat sich - trotz wiederholter Aufforderungen der Prediger6 - noch
mcht zu emer Ubernahme der Ehegerichtsbarkeit durchringen können. Darüber hin-
aus glaubt Walther Köhler einen doppelten Charakter des hier agierenden Pfarrerkol-
legiums zu erkennen: Einerseits handelt es sich bei den Unterschreibenden - mit emer
einzigen Ausnahme - um Straßburger Bürger7, die sich hiermit zu einem bürgerh-
chen, welthchen Ehegericht selbst konstituieren und sich als solches selbstverständ-
hch der Obrigkeit unterstellen8; andererseits sieht Köhler inihrem Vorgehen zugleich
»die Selbstkonstituierung eines pfarrherrlichen Tribunals, das auch selbständig sein
Urteil fällt«, und darin entdeckt er »eine mittelalterliche Reminiszenz«9.
Das Gutachten ist nur in einer Abschrift Jakob Wenckers (geb. 1668, gest. 1743)
überhefert und wird von ihm lediglich auf den »17. Octobris«, ohne Jahresangabe,
datiert. Die vorsichtige Auswertung der im Gutachten enthaltenen Informationen
erlaubt jedoch eine genauere Eingrenzung der in Frage kommenden Abfassungs-
jahre.10 Die biographischen Daten der unterzeichneten Prediger zwingen zunächst

5. Auch neu 1m vorliegenden Gutachten ist Sebastian Meyer (vgl. unten S. 49, Anm. 44), der An-
ton Firn als Pfarrer von St. Thomas ersetzt zu haben scheint. Die Angaben m den einschlägigen bio-
graphischen Verzeichmssen sind hier widersprüchlich und geben für sowohl Firn als auch Meyer
an, zu diesem Zeitpunkt Pfarrer an der St. Thomas-Kirche gewesen zu sein. Vgl. Ficker/Winckel-
mann, Handschriftenproben II, Nr. 62 (Firn) und 63 (Meyer); Bopp, Die evangelischen Geistlichen,
Nr. 1381 (Firn) und Nr. 3496 (Meyer).
6. Vgl. in der Chronologia Bucerana (oben S. 9-12) die Einträge zum 10. August 1525, 19. Fe-
bruar 1526, 15. März und 12. Mai 1529.
7. Daß der Klerus bürgerliche Pflichten auf sich nimmt und auf seine bisherige rechtliche Immu-
mtät verzichtet, war gerade m Straßburg eine frühe Forderung der Reformation. Die das Gutachten
unterschreibenden Prediger waren in der folgenden Reihenfolge Bürger geworden: Capito nahm
das Bürgerrecht am 9. Juli 1523 an (Wittmer/Meyer, Livre de bourgeoisie 2, Nr. 7275), Pollio am 3.
November 1523 (Nr.7313), Zell am 26. November 1523 (Nr.7316), Nigri am 18. Februar 1524
(Nr.7370), Hedio am 19. April 1524 (Nr. 7399), Bucer am 22. September 1524 (Nr. 7464), Meyer am
19. Dezember 1525 (Nr. 8011). Allein für Johannes Latomus ist ein Erwerb des Bürgerrechts nicht
überliefert. Eine vollständige Liste der Straßburger Kleriker, die das Bürgerrecht annahmen, bietet
Baum, Magistrat, S. 204-212. Zum Erwerb des Straßburger Bürgerrechts vgl. Winckelmann, Straß-
burgs Verfassung, S. 504-513; Wittmer/Meyer, Livre de bourgeoisie 3, S. XXVIII—XLIII. Zum
Phänomen iiberhaupt vgl. Moeller, Kleriker als Bürger.
8. Vgl. Köhler, Zürcher Ehegericht II, S. 378.
9. Köhler, Zürcher Ehegericht II, S. 378, Anm. 189: »Das Nebeneinander beider Momente verrät
die Ubergangszeit.«
10. Köhler, Zürcher Ehegericht II, S. 378, Anm. 188, gibt den allgemeinen Zeitrahmen 1524-1530

an.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften