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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]; Schulz, Hans [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 10): Schriften zu Ehe und Eherecht — Gütersloh, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.30230#0077
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6. DER HEILIGE EHESTAND

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Korrekturen an dem Entwurf Bucers vor und zitierte zum Beleg seiner Ansichten
ebenfalls das römische Recht.18 So bestritt er etwa die von Bucer postulierte Illegiti-
mität aller ohne Zustimmung der Eltern geschlossenen Ehen und berief sich hierbei
auf das Gesetz »Si ut proponis« des Codex Iustinianus '9, in welchem bestimmt
werde, »das so ain vatter die Eelich zusamenverfugung mt offentlichen wider-
spncht, so werde vermutet, er habe darin verwilligt«20. Daß die Zustimmung der
Mutter und der Verwandten zu einer Eheschließung notwendig sei, falls Vater oder
Großvater nicht mehr lebten, stellte Roth unter Berücksichtigung des genauen
Wortlauts der betreffenden Gesetze ebenfalls m Frage: »Das wurdet aber in keinem
Text gefunden, das ain Ehe darumb vncräfftig, darumb das die Verwilligung der Vor-
mund, Mütter oder freundschafft mt vorhanden«21. Wenig später bekräftigt er: »Wir
haben aber dabey ainen offenbaren Text, das die bewilligung der freundt vnd vor-
mundt nit von nötten«22 und zitiert das Gesetz »In copulandis«23.
Die von Bucer postulierte Möglichkeit, das Eheversprechen aufkündigen zu dür-
fen, streitet Roth unter Berufung auf »den gemainen brauch der Cristen« ab, »dann
solte es den Weg haben, das so sich zwey züsamen Eelich verpunden vnnd noch
nicht beygschlaffen, das sie dem Heyrat vffsagen möchten, wurden vil bschwärniss
vnd ergernissen darauß folgen«24.
Insgesamt scheint Roth darum bemtiht, ein differenzierteres Bild des römischen
Rechtes zu bieten, als Bucer es tut, und die weitreichenden Behauptungen, die Bucer
aufgrund des römischen Rechtes aufgestellt hatte, durch zahlreiche Zitate aus dem-
selben Rechtskorpus zu relativieren. So schränkt er etwa Bucers großzügige Erlaub-
nis der Wiederverheiratung unschuldig verlassener Ehefrauen unter Hmweis auf die
Gesetzgebung Konstantins und Justimans25 und unter Berücksichtigung der Inter-
essen zeitgenössischer Soldaten26 stark ein. Andererseits kann Roth in Übereinstim-
mung mit Bucer alle Scheidungsgründe des römischen Rechtes auflisten.27
Köbler, Zürcher Ehegericht II, S. 5 2; Selderhnis, S. 111 (= Marriage, S. 91); Endriß, Das Ulmer Refor-
mationsjahr 1531,5.70.
18. Roth gliedert sein Gegengutachten folgendermaßen: I. Elternkonsens: fol. 3 121 — 3 r 7''; II.
Eheversprechen: fol.3i7v-320r; III. Verwandtschaftsgrade: fol.320l/v; IV. Bestrafung des Ehe-
bruchs: fol. 320v-322v; V. Ehescheidung: fol. 322v-324‘. Roth übergeht Bucers ersten Punkt (die
Ehe als für fast alle Menschen von Gott bestimmte Lebensform), da das römische Recht m diesem
mcht vorkommt. Der sehr umfangreiche zweite Punkt Bucers (Notwendigkeit des Elternkonsenses
und Ungültigkeit der heimhchen Eheversprechen) wird von Roth zweigeteilt. Dagegen entspre-
chen die letzten drei Abschmtte des Gutachtens Roths genau der Ghederung der Schrift Bucers.
19. Cod. Just. 5,4,5, ClCiv II, S. 195.
20. Ulm StArch, A [8983] II, fol. 3131.
21. Ulm StArch, A [8983] II, fol. 315k
22. Ulm StArch, A [8983] II, fol. 31 ß. Vgl. auch Selderhuis, S. 111 (= Marriage, S.91).
23. Cod. Just. 5,4,8, ClCiv II, S. 195.
24. Ulm StArch, A [8983] II, fol.3181. Vgl. auch Selderhnis, S. III (= Marnage, S.91); Köhler,
Zürcher Ehegericht II, S. 53, Anm. 249.
25. Vgl. Ulm StArch, A [8983] II, fol.32ir/v.
26. »... doch seyen sonnder allem zweyfel auch die Kriegsleut vnnser Zeytten, so fiir yr vatter-
land oder zu guttem dem hailhgem Reich streitten vnnd kriegen, aller Ritterhchen Eeren, begna-
dung vnnd freyhait werd.« Ulm StArch, A [8983] II, fol. 322v.
27. Vgl. Ulm StArch, A [8983] II, fol.3231 ;24r.
 
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