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12. GUTACHTEN FUR DEN ULMER RAT
gliedern bestehendes Ehegericht ins Leben gerufen worden.8 Die Relevanz des An-
fang Dezember 1533 in Ulm eingetroffenen9 Gutachtens Bucers für die Arbeit des
soeben konstituierten Gerichts ist offensichtlich.
Indirekter Adressat des Ulmer Gutachtens war aber auch der Straßburger Rat.10
Deshalb enthält die Straßburger Abschrift11 dieser Abhandlung ein an den dortigen
Rat gerichtetes Vorwort.
2. Inhalt
Der Ulmer Rat hatte Bucer speziell um eine Abhandlung über die Frage der Ehe-
scheidung gebeten.12 Das erste Fünftel der umfangreichen Schrift widmet Bucer je-
doch ausdrücklich der Ehe und ihrem Wesen nach der Heihgen Schnft [jv-i jr] und
dem römischen Recht [i6v-20v], Erst nach dieser allgemeinen Grundlegung geht er
zur Ehescheidung über, deren ausführliche Behandlung tiber drei Fünftel der Schnft
in Anspruch nimmt [20v-86r]. Eine Zusammenfassung des gesamten Gutachtens
[86v-92v], die Beantwortung von sieben spezifischen Fragen, die der Ulmer Rat Bu-
cer gestellt hatte [9zv-97v], und ein knapper Abnß der eherechthchen Prmzipien
Bucers [98*"—99^] schließen die Schrift ab.13
In dieser Schrift hat der Straßburger Reformator eine erste Systematisierung sei-
ner bisher in vereinzelten Gutachten14 und Bibelkommentaren15 zum Ausdruck ge-
brachten eherechtlichen Überlegungen unternommen. Auffälhg hierbei lst das
durchgehende Bestreben Bucers, den bibhschen Äußerungen über Ehe und Ehe-
scheidung stets vergleichend die entsprechende Aussage des römischen Rechts hm-
zuzufügen. Anschließend folgt ein kritisches Fazit, in welchem Bucer in der Regel,
freilich nicht immer16, die große inhaltliche Nähe dieses vom römischen - und, wie
8. Zwar hatte der Ulmer Rat lm Sommer 1531 beschlossen, daß das Stadtgericht alle bisher dem
bischöflichen Gericht zustehenden Ehefälle übernehmen sollte (vgl. oben S. 74), aber seit dem 15.
Oktober 1533 wollte das Ulmer Stadtgericht für Eheprozesse mcht mehr zuständig sein, sondern
diese einem eigens dafür konstituierten Ehegericht übertragen. Vgl. Köhler, Zürchcr Ehegencht II,
S. 61, 64 f.; Pollet II, S. 217, Anm. 4 geht irrtümlich von der Zahl von fünf Predigern im neu geschaf-
fenen Ehegericht aus.
9. Vgl. Selderhuis, Huwelijk, S. 116 (= Marriage, S.96), Anm. 173.
10. Hierzu vgl. bes. Köhler,■ Zürcher Ehegericht II, S.434-437. Auch beim Gutachtcn für den
Berner Rat (vgl. oben Nr. 11, S. 144-162) war dies der Fall.
11. Vgl. unten m der Uberlieferung Handschrift a.
12. Vgl. unten S. 177,9h
13. Eine ausführliche Inhaltsangabe bieten Köhler, Zürcher Ehegericht II, S. 427-437 und Mejer,
Zur Geschichte des ältesten protestantischen Eherechts, S. 87—93, letzterer allerdings ohne die
Autorschaft Bucers endgültig vorauszusetzen.
14. Etwa die m diesem Band gesammelten Schnften Nr. 1-11.
15. Hierzu vgl. Wright, Common Places, S.401-428.
16. So lst die von Justiman zugelassene Ehescheidung aufgrund des Klostereintntts eines dcr
Ehepartner (Nov. 22,5, CICiv III, S. 150) für Bucer wegen der fehlenden theologischen Berechti-
gung des monastischen Lebens mdiskutabel. Vgl. unten S. 272,3—275,10.
12. GUTACHTEN FUR DEN ULMER RAT
gliedern bestehendes Ehegericht ins Leben gerufen worden.8 Die Relevanz des An-
fang Dezember 1533 in Ulm eingetroffenen9 Gutachtens Bucers für die Arbeit des
soeben konstituierten Gerichts ist offensichtlich.
Indirekter Adressat des Ulmer Gutachtens war aber auch der Straßburger Rat.10
Deshalb enthält die Straßburger Abschrift11 dieser Abhandlung ein an den dortigen
Rat gerichtetes Vorwort.
2. Inhalt
Der Ulmer Rat hatte Bucer speziell um eine Abhandlung über die Frage der Ehe-
scheidung gebeten.12 Das erste Fünftel der umfangreichen Schrift widmet Bucer je-
doch ausdrücklich der Ehe und ihrem Wesen nach der Heihgen Schnft [jv-i jr] und
dem römischen Recht [i6v-20v], Erst nach dieser allgemeinen Grundlegung geht er
zur Ehescheidung über, deren ausführliche Behandlung tiber drei Fünftel der Schnft
in Anspruch nimmt [20v-86r]. Eine Zusammenfassung des gesamten Gutachtens
[86v-92v], die Beantwortung von sieben spezifischen Fragen, die der Ulmer Rat Bu-
cer gestellt hatte [9zv-97v], und ein knapper Abnß der eherechthchen Prmzipien
Bucers [98*"—99^] schließen die Schrift ab.13
In dieser Schrift hat der Straßburger Reformator eine erste Systematisierung sei-
ner bisher in vereinzelten Gutachten14 und Bibelkommentaren15 zum Ausdruck ge-
brachten eherechtlichen Überlegungen unternommen. Auffälhg hierbei lst das
durchgehende Bestreben Bucers, den bibhschen Äußerungen über Ehe und Ehe-
scheidung stets vergleichend die entsprechende Aussage des römischen Rechts hm-
zuzufügen. Anschließend folgt ein kritisches Fazit, in welchem Bucer in der Regel,
freilich nicht immer16, die große inhaltliche Nähe dieses vom römischen - und, wie
8. Zwar hatte der Ulmer Rat lm Sommer 1531 beschlossen, daß das Stadtgericht alle bisher dem
bischöflichen Gericht zustehenden Ehefälle übernehmen sollte (vgl. oben S. 74), aber seit dem 15.
Oktober 1533 wollte das Ulmer Stadtgericht für Eheprozesse mcht mehr zuständig sein, sondern
diese einem eigens dafür konstituierten Ehegericht übertragen. Vgl. Köhler, Zürchcr Ehegencht II,
S. 61, 64 f.; Pollet II, S. 217, Anm. 4 geht irrtümlich von der Zahl von fünf Predigern im neu geschaf-
fenen Ehegericht aus.
9. Vgl. Selderhuis, Huwelijk, S. 116 (= Marriage, S.96), Anm. 173.
10. Hierzu vgl. bes. Köhler,■ Zürcher Ehegericht II, S.434-437. Auch beim Gutachtcn für den
Berner Rat (vgl. oben Nr. 11, S. 144-162) war dies der Fall.
11. Vgl. unten m der Uberlieferung Handschrift a.
12. Vgl. unten S. 177,9h
13. Eine ausführliche Inhaltsangabe bieten Köhler, Zürcher Ehegericht II, S. 427-437 und Mejer,
Zur Geschichte des ältesten protestantischen Eherechts, S. 87—93, letzterer allerdings ohne die
Autorschaft Bucers endgültig vorauszusetzen.
14. Etwa die m diesem Band gesammelten Schnften Nr. 1-11.
15. Hierzu vgl. Wright, Common Places, S.401-428.
16. So lst die von Justiman zugelassene Ehescheidung aufgrund des Klostereintntts eines dcr
Ehepartner (Nov. 22,5, CICiv III, S. 150) für Bucer wegen der fehlenden theologischen Berechti-
gung des monastischen Lebens mdiskutabel. Vgl. unten S. 272,3—275,10.