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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]; Schulz, Hans [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 10): Schriften zu Ehe und Eherecht — Gütersloh, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.30230#0172
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12. GUTACHTEN FUR DEN ULMER RAT

Bernhard Besserer und vom Ulmer Rat mit ausgesprochener Zurückhaltung aufge-
nommen. Zwar bestand durchaus die Bereitschaft, Bucers Gutachten bei der Eheju-
dikatur vor Ort zu Rate zu ziehen, aber man war sich der Brisanz der darin enhalte-
nen Empfehlungen sehr bewußt und keinesfalls gewillt, diese Schrift - wie von Bu-
cer ausdrücklich gewünscht20 - den anderen mit Ulm verbundenen süddeutschen
Städten vorzulegen und für sie einzutreten.21 Sogar der mit Bucer befreundete
Frecht machte sich Sorgen über die schädliche Auswirkung, die Bucers Erwägungen
über mögliche Ehescheidungen auf die nicht einfachen Beziehungen zu den Luthe-
ranern haben könnte.22
Angesichts dieser erheblichen Vorbehalte ist es bemerkenswert, daß die am 8.
April 1534 erlassene Ulmer Ehegerichtsordnung23 die ausdrückhche Anweisung
gibt, neben der Kirchenordnung von 153124 auch die »Straßburgische ordnung«,
vor allem in besonderen Fällen, zu konsultieren.25 Noch erstaunhcher lst es, daß
über dreißig Jahre später26, am 23. Mai 1565, eine neue Ehegenchtsordnung veröf-
fentlicht wurde27, die diesen Passus28 unter dem Titel »Straßburger Ordnung« voll-
ständig übernahm und somit erneut auf das in Geltung bleibende »Straßburger Li-
20. Vgl. Bucers Brief an Ambrosius Blarer vom 3. Februar 1534, Schieß I, S.466.
21. Vgl. den Brief Frechts an Bucer vom 5. April 1534, Schieß I, S.483; Greschat, Bucer, S. 121.
22. Brief Martin Frechts an Ambrosius Blarer vom 14. Dezember 1533. In dem von Schieß I,
S.446 formuherten Regest heißt es: »Butzer berichtet, er habe Besserer wegen unserer gänzhchen
Befreiung vom Beisitz beim Ehegericht [der Ulmer Ehegericht, m dem vier Prädikanten saßen,
sollte nach dem Willen des Rates nur mit Laien besetzt werden; vgl. Köhler, Zürcher Ehegencht II,
S. 65] geschrieben: denn dies könnte, wie Du mit Recht urteilst, bei den Lutheranern neuen Anstoß
geben. Was aber würden sie sagen, wenn sie Butzers Erörterungen über Trennung der Ehe von Aus-
sätzigen und anderes Abweichende, auch über Wahnsinn als Grund zur Trennung läsen?«.
23. Ordenung aines Erbaren Raths der Statt Vlm m den Compromitierten [= einem Gencht un-
terstehenden] vnd verwillkürten Eesachen vnnd mit was massen hinfuro dannnen gerichthch Pro-
cediert vnd fürgangen werden soll (...). Ulm 1531, Ulm StArch, U 6015. Daß diese acht Blatt umfas-
sende Ordnung, die ledighch Formalien wie die Wahl und die Besoldung der Richter, die Befragung
der Zeugen, das Siegel des Ehegerichts sowie die Höhe der genchthchen Gebühren behandelt, »ein
Werk Bucers« sein soll (so Köhler, Zürcher Ehegencht II, S. 66), lst äußerst unwahrscheinhch, wie
Selderhuis, S. 188 (= Marriage, S.98), Anm. 188 zu Recht vermerkt. Eine ausführliche Wiedergabe
des Inhalts der Ehegerichtsordnung gibt Köhler, Zürcher Ehegencht II, S.66—71.
24. BDS 4, S. 212-272. Zur Ehe vgl. bes. S. 248,26-250,13 und S. 261,9-269,9.
25. »Vnd nach dem Maister vnd Rath der Statt Straßburg ain Libell ettlicher fall mn Eesachen,
waruff die selben mn Gotthchen vnd Kayserhchen Rechten fundiert, durch jre gelerten berat-
schlagt, ainem Erbern Rath alhie mit notturfftigen [= notwendigen] Allegationen vberschickt vnd
überantwurt, so sollen derhalben die bemelten fünff Richter dasselb zu handcn eins Erbarn Raths
gerichtschreibern antwürten, also wo sich ettlich fall, mn derselben verleybt, zutragen, das sie jre
entschaid Gotthchem vnd Kayserhchen rechten dester gmaßer nchten vnd schicken mogen.« Ulm
StArch, U 6015, Bl. C2a.
26. Das Ulmer Ehegencht war am 12. September 1548 aufgrund des Intenms geschlossen wor-
den; das Stadtgencht scheint die Eheprozesse wieder übernommen zu haben. Obwohl am 7. No-
vember 1558 beschlossen wurde, das Ehegericht wieder aufzustellen, geschah dies erst 1m Mai 1565.
Vgl. Köhler, Zürcher Ehegericht II, S. 75-80; zum Inhalt der neuen Ordnung vgl. dort: S. 81-85.
27. Ordnung Eines erbaren Rhats der Statt Vlm m Ehesachen vnnd mit was massen hinfuro dar-
mnen genchthch Procediert vnd fürgangen werden sol. Von newem reformiert vnd fürgenommen
(...). Ulm 1565, Ulm StArch, A [1776] Beilage.
28. Vgl. oben Anm. 25.
 
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