y.6
12. GUTACHTEN FUR DEN ULMER RAT
es die alten Phariseer vnnd gleißner1 zu besseren vnderstanden hatten, abtreiben2.
Vnnd ob wol die ceremonien vnnd eüsserlichen breüch, die got nit lenger hat wöllen
geübt werden, dan biß er durch vnseren herren sein genad aller welt anbütte3, ge-
endert seind, so ist doch darinn, wie das die christliche kirch alweg erkennet vnnd
geglaubet hat, gar nichs geendert, das an gemeynem leben vnnd sitten der menschen
durch Mosen vnnd Propheten als gotgefellig vnns fürgeben ist, mag auch nimmer
mer, so lang dis leben stoht, mit gottes gefallen geendert werden, darumb vnser herr
solichs wol hat erleüteren vnnd recht zu versten geben wellen, aber eygenthch nirget
inn enderen oder besseren. Nach dem er aber mit dem einfeltigen volck fürnemlich
gehandelet, hat er alle sein reden vnnd handlung vffs demütigest vnnd einfaltigest
lassen abgohn4 vnnd, was man inn ie5 gefraget, uff das selbige allemal der maß ant-
wort geben, das er die leut inn erkantnus irer sünden vnnd also dazu, das sie durch
I 6ov I inp by dem vatter gnad süchten vnnd erlangten, also mt ein scheinhche6
frombkeyt vnnd, die in eüsserem thün stunde, wie der phariseer ware7, sonder ein
hertzliche, satte8, ware frombkeyt, die got alle eer vnnd dem nechsten auß warer
liebe allen dienst zu gutem gebe vnnd bewise9.
Er war nit kommen, newe gesetz zu geben, noch wemger das vor gegeben gesatz
vffzulösen, sonder wolt das selbig durch, das er erstq recht zu verstohn vnnd dan
auch zu halten, geist vnnd krafft gabe, erftillen10. Also, da auß menschhchem müt-
willen die sach by den Juden dahin kommen ware, das man auß dem, das got den ar-
men, vnbillich11 gequeleten weiberen zu güt gepotten - wo emer seinem weib, das
sein ehweib ware, das ist, konde vnnd wolte lm ehhche dienst12 vnnd trew leisten,
auß vnwillen ie nit13 wolte ehliche lieb vnnd dienst beweisen, das er sie doch mit
dem scheidbrieue sein frey machete, damit sie einen bekeme, der sich tr bas ver-
mochte14, vnnd wa sie daruff einen anderen neme, der sy auch von lmm scheydete,
das sie dieser nit solte wider auffnemmen, die nun semt halb durch bywonung des
p) am Zeilenanfang ergänzt m a. - q) korr. m a.
1. Heuchler.
2. beseitigen, außer Kraft setzen, für nichtig erklären. Frühneuhochdt. WB i, Sp. 450. Vgl. oben
S.234,19-235,11.
3. gebe, darreiche. Frühneuhochdt. WB 1, Sp.998. Vgl. oben S. 229,10-12.
4. vonstatten gehen.
5. auch immer.
6. heuchlensche.
7. Vgl. Mt 23,13.23-29; Lk 18,9-14.
8. feste, starke, tiefe.
9. Vgl. Mt 22,37-40; 23,23; Röm 13,10; Mi 6,8; Hos 6,6; I Tim 1,5.
10. Vgl. Mt 5,17.
11. zu Unrecht, unrechtmäßig.
12. eheliche Beiwohnung. Vgl. »coniugn officia«, BOL 15, S. 217.
13. le mt: auf keinem Fall.
14. der ihr besser stünde. Grimrn 25 (= XII, 1), Sp. 887.
12. GUTACHTEN FUR DEN ULMER RAT
es die alten Phariseer vnnd gleißner1 zu besseren vnderstanden hatten, abtreiben2.
Vnnd ob wol die ceremonien vnnd eüsserlichen breüch, die got nit lenger hat wöllen
geübt werden, dan biß er durch vnseren herren sein genad aller welt anbütte3, ge-
endert seind, so ist doch darinn, wie das die christliche kirch alweg erkennet vnnd
geglaubet hat, gar nichs geendert, das an gemeynem leben vnnd sitten der menschen
durch Mosen vnnd Propheten als gotgefellig vnns fürgeben ist, mag auch nimmer
mer, so lang dis leben stoht, mit gottes gefallen geendert werden, darumb vnser herr
solichs wol hat erleüteren vnnd recht zu versten geben wellen, aber eygenthch nirget
inn enderen oder besseren. Nach dem er aber mit dem einfeltigen volck fürnemlich
gehandelet, hat er alle sein reden vnnd handlung vffs demütigest vnnd einfaltigest
lassen abgohn4 vnnd, was man inn ie5 gefraget, uff das selbige allemal der maß ant-
wort geben, das er die leut inn erkantnus irer sünden vnnd also dazu, das sie durch
I 6ov I inp by dem vatter gnad süchten vnnd erlangten, also mt ein scheinhche6
frombkeyt vnnd, die in eüsserem thün stunde, wie der phariseer ware7, sonder ein
hertzliche, satte8, ware frombkeyt, die got alle eer vnnd dem nechsten auß warer
liebe allen dienst zu gutem gebe vnnd bewise9.
Er war nit kommen, newe gesetz zu geben, noch wemger das vor gegeben gesatz
vffzulösen, sonder wolt das selbig durch, das er erstq recht zu verstohn vnnd dan
auch zu halten, geist vnnd krafft gabe, erftillen10. Also, da auß menschhchem müt-
willen die sach by den Juden dahin kommen ware, das man auß dem, das got den ar-
men, vnbillich11 gequeleten weiberen zu güt gepotten - wo emer seinem weib, das
sein ehweib ware, das ist, konde vnnd wolte lm ehhche dienst12 vnnd trew leisten,
auß vnwillen ie nit13 wolte ehliche lieb vnnd dienst beweisen, das er sie doch mit
dem scheidbrieue sein frey machete, damit sie einen bekeme, der sich tr bas ver-
mochte14, vnnd wa sie daruff einen anderen neme, der sy auch von lmm scheydete,
das sie dieser nit solte wider auffnemmen, die nun semt halb durch bywonung des
p) am Zeilenanfang ergänzt m a. - q) korr. m a.
1. Heuchler.
2. beseitigen, außer Kraft setzen, für nichtig erklären. Frühneuhochdt. WB i, Sp. 450. Vgl. oben
S.234,19-235,11.
3. gebe, darreiche. Frühneuhochdt. WB 1, Sp.998. Vgl. oben S. 229,10-12.
4. vonstatten gehen.
5. auch immer.
6. heuchlensche.
7. Vgl. Mt 23,13.23-29; Lk 18,9-14.
8. feste, starke, tiefe.
9. Vgl. Mt 22,37-40; 23,23; Röm 13,10; Mi 6,8; Hos 6,6; I Tim 1,5.
10. Vgl. Mt 5,17.
11. zu Unrecht, unrechtmäßig.
12. eheliche Beiwohnung. Vgl. »coniugn officia«, BOL 15, S. 217.
13. le mt: auf keinem Fall.
14. der ihr besser stünde. Grimrn 25 (= XII, 1), Sp. 887.