13. GUTACHTEN FUR AUGSBURG
429
Straßburger Thomasstifts gefunden hat19 - dieses Gutachten während eines der vie-
len Aufenthalte Bucers in der Reichsstadt am Lech niedergeschrieben hat.20 Auch
eine Analyse der 1m Papier vorhandenen Wasserzeichen deutet auf Augsburg als
Abfassungsort hin.21
Obwohl die Vermutung Köhlers überzeugend ist, liefern die zahlreichen Hinweise
1m »Scnptum maius« auf die am 26. November 1533 abgeschlossene große Ulmer
Eheschrift letzthch den einzig sicheren chronologischen Anhaltspunkt. Somit kann
die Erstellung des Gutachtens während Bucers erstem Augsburger Aufenthalt nach
Abschluß der Ulmer Eheschrift, nämlich zwischen dem 6. November und dem 9.
Dezember 1534, ebensowenig wie eine Abfassung kurz vor dem 9. Juli 1537 ausge-
schlossen werden.
2. Inhalt
Das »Scriptum maius« deckt sich in zahlreichen inhaltlichen Punkten mit der viel
umfangreicheren Schrift »Von der Ehe und Ehescheidung«.22 Während diese aber
den Charakter einer umfassenden Abhandlung hat, wirkt das Augsburger Gutach-
ten wie eine an ein städtisches Ehegericht adressierte Anleitung für die Anwendung
evangelischen Eherechts in spezifischen Fällen. Das »Scriptum maius« besitzt des-
halb eine Stringenz und eine Ausrichtung auf die praktische Anwendbarkeit, die
man bei der großen Ulmer Eheschrift vermißt. Schon die sorgfältige Ghederung des
»Scrrptum maius« in 122 numerierte Abschnitte von Paragraphenlänge weist auf die
Absicht, pointierter und präziser als in der Ulmer Schrift über einzelne Ehefragen
Auskunft zu geben und praktische Handlungsanweisung für das Ehegericht zu ma-
chen.23 Da das »Scriptum maius« zur Begründung der empfohlenen Vorgehens-
weise bei Eheprozessen sich immer wieder auf das Ulmer Gutachten24 beruft, wird
klar, daß Bucer letzteres durch das Augsburger Gutachten mcht ersetzen, sondern
beide Schnften aufeinander bezogen wissen wollte: die erste wohl als theologische
Grundlage evangelischer Eherechtsprechung, die zweite dagegen als praktisches
19. Dies würde sich gut erklären für den Fall, daß Bucer die Schrift schon 1534 verfaßt hat: Da
der Rat noch kein Ehegericht eingesetzt hatte, bestand in Augsburg noch kein Bedarf für die Schrift,
und Bucer hat sie nach Straßburg mitgenommen.
20. So auch Bodenmann, Musculus, S.219, Anm. 118.
21. Es handelt sich um das Wasserzeichen Briquet Nr. 9898, in Augsburg für den Zeitraum 1530-
1541, in Straßburg zu keinem Zeitpunkt belegt. Freundlicher Hinweis von Dr. Hans B. Kälin.
22. Köhler, Zürcher Ehegericht II, S. 281-289 referiert den Inhalt des »Scriptum maius« mit gro-
ßer Ausführlichkeit.
23. Da das Gutachten zuweilen eine eigene, von diesen Abschmtten abweichende Gliederung
aufweist, ist es auch möglich, daß Wolfgang Musculus das fertige Gutachten Bucers nachträglich in
die 122 Abschnitte gegliedert hat, um es handhabbarer zu machen und für das Ehegericht zuzuspit-
zen.
24. AIs »liber noster de matrimonns« zitiert. Vgl. unten S. 469,2.
429
Straßburger Thomasstifts gefunden hat19 - dieses Gutachten während eines der vie-
len Aufenthalte Bucers in der Reichsstadt am Lech niedergeschrieben hat.20 Auch
eine Analyse der 1m Papier vorhandenen Wasserzeichen deutet auf Augsburg als
Abfassungsort hin.21
Obwohl die Vermutung Köhlers überzeugend ist, liefern die zahlreichen Hinweise
1m »Scnptum maius« auf die am 26. November 1533 abgeschlossene große Ulmer
Eheschrift letzthch den einzig sicheren chronologischen Anhaltspunkt. Somit kann
die Erstellung des Gutachtens während Bucers erstem Augsburger Aufenthalt nach
Abschluß der Ulmer Eheschrift, nämlich zwischen dem 6. November und dem 9.
Dezember 1534, ebensowenig wie eine Abfassung kurz vor dem 9. Juli 1537 ausge-
schlossen werden.
2. Inhalt
Das »Scriptum maius« deckt sich in zahlreichen inhaltlichen Punkten mit der viel
umfangreicheren Schrift »Von der Ehe und Ehescheidung«.22 Während diese aber
den Charakter einer umfassenden Abhandlung hat, wirkt das Augsburger Gutach-
ten wie eine an ein städtisches Ehegericht adressierte Anleitung für die Anwendung
evangelischen Eherechts in spezifischen Fällen. Das »Scriptum maius« besitzt des-
halb eine Stringenz und eine Ausrichtung auf die praktische Anwendbarkeit, die
man bei der großen Ulmer Eheschrift vermißt. Schon die sorgfältige Ghederung des
»Scrrptum maius« in 122 numerierte Abschnitte von Paragraphenlänge weist auf die
Absicht, pointierter und präziser als in der Ulmer Schrift über einzelne Ehefragen
Auskunft zu geben und praktische Handlungsanweisung für das Ehegericht zu ma-
chen.23 Da das »Scriptum maius« zur Begründung der empfohlenen Vorgehens-
weise bei Eheprozessen sich immer wieder auf das Ulmer Gutachten24 beruft, wird
klar, daß Bucer letzteres durch das Augsburger Gutachten mcht ersetzen, sondern
beide Schnften aufeinander bezogen wissen wollte: die erste wohl als theologische
Grundlage evangelischer Eherechtsprechung, die zweite dagegen als praktisches
19. Dies würde sich gut erklären für den Fall, daß Bucer die Schrift schon 1534 verfaßt hat: Da
der Rat noch kein Ehegericht eingesetzt hatte, bestand in Augsburg noch kein Bedarf für die Schrift,
und Bucer hat sie nach Straßburg mitgenommen.
20. So auch Bodenmann, Musculus, S.219, Anm. 118.
21. Es handelt sich um das Wasserzeichen Briquet Nr. 9898, in Augsburg für den Zeitraum 1530-
1541, in Straßburg zu keinem Zeitpunkt belegt. Freundlicher Hinweis von Dr. Hans B. Kälin.
22. Köhler, Zürcher Ehegericht II, S. 281-289 referiert den Inhalt des »Scriptum maius« mit gro-
ßer Ausführlichkeit.
23. Da das Gutachten zuweilen eine eigene, von diesen Abschmtten abweichende Gliederung
aufweist, ist es auch möglich, daß Wolfgang Musculus das fertige Gutachten Bucers nachträglich in
die 122 Abschnitte gegliedert hat, um es handhabbarer zu machen und für das Ehegericht zuzuspit-
zen.
24. AIs »liber noster de matrimonns« zitiert. Vgl. unten S. 469,2.