518 12. schmalkaldener gutachten
Das Entstehungsverhältnis zwischen der deutschen und der lateinischen Fassung
dieses Gutachtens ist schwer zu bestimmen. Auffällig ist zunächst die Tatsache, daß
die deutsche Fassung nicht nur in ihrer textuellen Gestalt, sondern auch von ihrem
Inhalt her eindeutig umfangreicher als der lateinische Text ist und einen weitschweifigen,
umständlichen Stil aufweist. Die lateinische Fassung, deren Autorschaft durch
Melanchthon belegt ist, zeichnet sich durch eine ausgesprochen sparsame und präzise
sprachliche Gestaltung aus. Nur sie trägt die Unterschriften der beratenden
Theologen und gilt als das offizielle Abschlußdokument des theologischen Konvents.
¹ Vollständig überliefert ist die deutsche Fassung dagegen in einer einzigen
Handschrift ² ,die archivalisch an die originale lateinische Urkunde ³ anschließt
und mit dieser zusammen überliefert ist.
Es stellt sich die Frage, ob die deutsche Fassung eine umständliche Übersetzung
des lateinischen Textes Melanchthons ist, die diesen um viele Sätze bereichert, oder
ob Melanchthon auf der Grundlage eines längeren deutschen Entwurfes ein konzises
Gutachten erstellte, das auf viele Nebensächlichkeiten des Originals verzichtete.
Für letztere Annahme spricht die Tatsache, daß der deutsche Text aus einem Guß
entstanden zu sein scheint und ausgesprochen ungelenk und unbeholfen in seiner
Komposition wirkt –Eigenschaften, die sich aus der Übersetzung einer so präzisen
Vorlage wie des Textes Melanchthons schlecht erklären lassen.
Da Bucer eine wesentliche Rolle in der Einbeziehung Francks und Schwenckfelds
in die Beratungen des Schmalkaldischen Konvents gespielt hat und zu den Unterzeichnern
dieser Schrift gehört, ist ihre Aufnahme in unsere Ausgabe gerechtfertigt,
obwohl die lateinische Fassung derselben auf Melanchthon zurückgeht. Freilich
zeigt das deutsche Gutachten wenig stilistische oder inhaltliche Anzeichen ⁴ einer
(vgl. QGT 15 [Elsaß III], Nr.859,S.291 f.; Nr.870,S.297f.; vgl. auch die Überlegungen Ambrosius
Blarers vom Oktober 1533 in QGT 8 [Elsaß II], Nr. 439, S. 176f.). Über den Konflikt mit
Schwenckfeld hinaus bestand auch ein deutlich angespanntes Verhältnis zwischen Bucer und
Franck, wie die Auseinandersetzung des Straßburger Reformators mit Francks Ansichten in seinem
Werk ›Dialogi oder Gesprech Vonder gemainsame vnnd den Kirchenübungen der Christen‹ vom
Mai 1535 (BDS 6,2, S.133,3–137,8; vgl. hierzu auch De Kroon, Studien zu Martin Bucers Obrigkeitsverständnis,
S. 25 und 41f.) und seine Briefe vom Juli und August 1535 (vgl. QGT 8 [Elsaß II],
Nr. 683, S.470; Nr. 697, S.478) deutlich machen. Zur gemeinsamen Front der evangelischen Theologen
gegen Franck und Schwenckfeld vgl. Kaufmann, Nahe Fremde, S.203, Anm. 82. Zum ambivalenten
Verhältnis zwischen Franck und Schwenckfeld, das sich von anfänglicher Freundschaft zur
offenen Gegnerschaft entwickelte, vgl. Weigelt, Beziehungen.
1. Entsprechend groß ist die Überlieferung der lateinischen Fassung (vgl. den Überblick in
MBW Bd. T9, S.172f.).
2. Ulm StArch, A 1208 II, fol.963 ʳ –971 ʳ .
3. Ulm StArch, A 1208 II, fol. 957 ʳ –962 ʳ (Ausfertigung Caspar Crucigers mit eigenhändigen
Unterschriften der Schmalkaldener Theologen).
4. Vor allem irritiert das Fehlen jeglicher Erwähnung der Kirchendisziplin als einer Grundeigenschaft
der wahren Kirche neben Predigt des Wortes Gottes und schriftgemäßer Verwaltung der Sakramente
(vgl. unten S. 530,27–532,1). Dies steht in markantem Kontrast zu allen diesbezüglichen
Ausführungen Bucers während dieser Jahre, die alle drei notae ecclesiae immer ausdrücklich erwähnen;
vgl. etwa das ›Bedenken von Kirchengütern‹ vom Juli 1538 (BDS 12, S.46,5 f.), die ›Fürstliche
Schrift‹ vom April 1539 (BDS 12, S.118,19f. und S. 126,23–28; vgl. auch 191,14 f.), die Abhandlung
›Von Kirchengütern‹ vom Februar 1540 (BDS 12, S.456,12f.), die Schrift ›Vom Tag zu Hagenaw‹
vom September 1540 (BDS 9,1, S.216,17), das ›Einfältige Bedenken‹ vom Spätsommer 1543 (BDS
Das Entstehungsverhältnis zwischen der deutschen und der lateinischen Fassung
dieses Gutachtens ist schwer zu bestimmen. Auffällig ist zunächst die Tatsache, daß
die deutsche Fassung nicht nur in ihrer textuellen Gestalt, sondern auch von ihrem
Inhalt her eindeutig umfangreicher als der lateinische Text ist und einen weitschweifigen,
umständlichen Stil aufweist. Die lateinische Fassung, deren Autorschaft durch
Melanchthon belegt ist, zeichnet sich durch eine ausgesprochen sparsame und präzise
sprachliche Gestaltung aus. Nur sie trägt die Unterschriften der beratenden
Theologen und gilt als das offizielle Abschlußdokument des theologischen Konvents.
¹ Vollständig überliefert ist die deutsche Fassung dagegen in einer einzigen
Handschrift ² ,die archivalisch an die originale lateinische Urkunde ³ anschließt
und mit dieser zusammen überliefert ist.
Es stellt sich die Frage, ob die deutsche Fassung eine umständliche Übersetzung
des lateinischen Textes Melanchthons ist, die diesen um viele Sätze bereichert, oder
ob Melanchthon auf der Grundlage eines längeren deutschen Entwurfes ein konzises
Gutachten erstellte, das auf viele Nebensächlichkeiten des Originals verzichtete.
Für letztere Annahme spricht die Tatsache, daß der deutsche Text aus einem Guß
entstanden zu sein scheint und ausgesprochen ungelenk und unbeholfen in seiner
Komposition wirkt –Eigenschaften, die sich aus der Übersetzung einer so präzisen
Vorlage wie des Textes Melanchthons schlecht erklären lassen.
Da Bucer eine wesentliche Rolle in der Einbeziehung Francks und Schwenckfelds
in die Beratungen des Schmalkaldischen Konvents gespielt hat und zu den Unterzeichnern
dieser Schrift gehört, ist ihre Aufnahme in unsere Ausgabe gerechtfertigt,
obwohl die lateinische Fassung derselben auf Melanchthon zurückgeht. Freilich
zeigt das deutsche Gutachten wenig stilistische oder inhaltliche Anzeichen ⁴ einer
(vgl. QGT 15 [Elsaß III], Nr.859,S.291 f.; Nr.870,S.297f.; vgl. auch die Überlegungen Ambrosius
Blarers vom Oktober 1533 in QGT 8 [Elsaß II], Nr. 439, S. 176f.). Über den Konflikt mit
Schwenckfeld hinaus bestand auch ein deutlich angespanntes Verhältnis zwischen Bucer und
Franck, wie die Auseinandersetzung des Straßburger Reformators mit Francks Ansichten in seinem
Werk ›Dialogi oder Gesprech Vonder gemainsame vnnd den Kirchenübungen der Christen‹ vom
Mai 1535 (BDS 6,2, S.133,3–137,8; vgl. hierzu auch De Kroon, Studien zu Martin Bucers Obrigkeitsverständnis,
S. 25 und 41f.) und seine Briefe vom Juli und August 1535 (vgl. QGT 8 [Elsaß II],
Nr. 683, S.470; Nr. 697, S.478) deutlich machen. Zur gemeinsamen Front der evangelischen Theologen
gegen Franck und Schwenckfeld vgl. Kaufmann, Nahe Fremde, S.203, Anm. 82. Zum ambivalenten
Verhältnis zwischen Franck und Schwenckfeld, das sich von anfänglicher Freundschaft zur
offenen Gegnerschaft entwickelte, vgl. Weigelt, Beziehungen.
1. Entsprechend groß ist die Überlieferung der lateinischen Fassung (vgl. den Überblick in
MBW Bd. T9, S.172f.).
2. Ulm StArch, A 1208 II, fol.963 ʳ –971 ʳ .
3. Ulm StArch, A 1208 II, fol. 957 ʳ –962 ʳ (Ausfertigung Caspar Crucigers mit eigenhändigen
Unterschriften der Schmalkaldener Theologen).
4. Vor allem irritiert das Fehlen jeglicher Erwähnung der Kirchendisziplin als einer Grundeigenschaft
der wahren Kirche neben Predigt des Wortes Gottes und schriftgemäßer Verwaltung der Sakramente
(vgl. unten S. 530,27–532,1). Dies steht in markantem Kontrast zu allen diesbezüglichen
Ausführungen Bucers während dieser Jahre, die alle drei notae ecclesiae immer ausdrücklich erwähnen;
vgl. etwa das ›Bedenken von Kirchengütern‹ vom Juli 1538 (BDS 12, S.46,5 f.), die ›Fürstliche
Schrift‹ vom April 1539 (BDS 12, S.118,19f. und S. 126,23–28; vgl. auch 191,14 f.), die Abhandlung
›Von Kirchengütern‹ vom Februar 1540 (BDS 12, S.456,12f.), die Schrift ›Vom Tag zu Hagenaw‹
vom September 1540 (BDS 9,1, S.216,17), das ›Einfältige Bedenken‹ vom Spätsommer 1543 (BDS