Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]; Wilhelmi, Thomas [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 16): Nachträge 1531 - 1541 — Gütersloh, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30653#0171
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr.6
Gutachten Bucers für den Frankfurter Rat
zur Frage der Restitution der Bartholomäuskirche

[Anfang November 1535]

Inhalt

Der Rat der Stadt Frankfurt am Main soll die Wiedereinführung einzelner altgläubiger
Zeremonien nicht zulassen, da er über alle Kirchen in dieser Stadt die Herrschaft
(»Oberkeyt«) und die Rechtsprechung (»Jurisdiction«) innehat. Die Obrigkeit hat
im Interesse ihrer Untertanen der Bibel gemäß die Lehre Christi und den christlichen
Gottesdienst zu fördern (S. 516). Der Frankfurter Rat hat die ungeteilte, auf
kaiserlichem Recht beruhende Amtsgewalt in der Stadt und soll sich für das leibliche
Wohl der Einwohner einsetzen und Handlungen verhindern, die gotteslästerlich
sind und den Einwohnern schaden; dementsprechend hat er die Abhaltung altgläubiger
Zeremonien zu unterbinden (S. 517f.). Zudem muß der Rat in erster Linie
Gottes Geboten folgen und erst in zweiter Linie den menschlichen Geboten. Auch
Geistliche sind dem Zivilrecht entsprechend der Obrigkeit und deren Gerichten unterworfen.
Falsche Lehren und Zeremonien sind vom Rat um des Seelenheils der
Einwohner willen zu verhindern. Die Mißstände, die Papst Hadrian VI. 1523 am
Nürnberger Reichstag selbst zugegeben hat, sind im ganzen Reich noch nicht beseitigt
worden, und so müssen nun die einzelnen Obrigkeiten tätig werden; erinnert
wird dabei an das Beispiel des Ambrosius in Mailand (S.518f.).

Die Auffassungen der Straßburger Prediger sind nicht einheitlich dieselben. Ein
Teil der Prediger ist der Ansicht, die Obrigkeit dürfe nur in Kirchen, über die sie das
Patronatsrecht (»ius patronatus«) besitzt, in Religionsfragen bestimmend eingreifen.
Dies würde aber bedeuten, daß überall, wo die Reformation eingeführt worden
war, unrecht gehandelt worden wäre. Da die Fürsten über die Stifter und Klöster das
»ius defensionis« inne haben, soll doch auch den Städten dieses Recht zustehen, da
sie wie die Fürsten ein »merum imperium« haben und damit ihre Rechte über denjenigen
der Geistlichen stehen. Mit ihrem »merum imperium« hat die Obrigkeit ungeachtet
des Patronatsrechts dafür zu sorgen, daß in ihrem Bereich Gottes Gesetze
befolgt werden; ihrer Jurisdiktion kann sich niemand, auch kein Geistlicher, entziehen.
Wenn der Rat, der den falschen Gottesdienst in der Stadt abgeschafft hat,
sich nun gegen dessen Wiedereinführung wendet, handelt er nach Gottes Geboten
(S.520f.).

Der andere Teil der Straßburger Predigerkollegen will die Frage der Berechtigung
eines Eingreifens im vorliegenden Fall juristisch abgeklärt wissen und das entsprechende
Ergebnis zum Maßstab nehmen. Liegt dem Rat die Berechtigung vor, soll er
die Wiedereinführung der altgläubigen Zeremonien untersagen; liegt sie ihm nicht
vor, muß er sie zulassen und respektieren (S.521).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften