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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 8): Abendmahlsschriften 1529 - 1541 — Gütersloh, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.29834#0060
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4. GUTACHTEN FÜR DEN KEMPTENER RAT

punkt von dem Beginn eines Abendmahlsstreits in Kempten sprechen.1 Dem Ver-
ständnis des Kemptener Abendmahlsstreits allerdings wenig förderlich ist die in der
Forschung eingebürgerte Tendenz, die einzelnen Beteiligten mit vereinfachenden,
wenig genauen Zugehörigkeitsbezeichnungen wie etwa »Zwinglianer« oder »Lu-
theraner« zu versehen. Wenn auch Johannes Rottach und sein aus Wittenberg kom-
mender Kollege Johannes Seeger2 mit gewisser Berechtigung als Anhänger der
leiblichen Realpräsenz im lutherischen Sinne beschrieben werden können, so bedarf
etwa das behauptete Bekenntnis Jakob Haistungs zur Abendmahlslehre Zwinglis
der kritischen Überprüfung, zumal er offensichtlich vielmehr von Bucer beeinflußt
war, der zu diesem Zeitpunkt eine von Zwinglis Abendmahlsverständnis deutlich
abweichende Position vertrat.3 Jedenfalls ist klar, daß sich um diese Zeit abend-
mahlstheologische Meinungsunterschiede zwischen Rottach und Seeger auf der ei-
nen Seite und Haistung auf der anderen zu bilden begannen. Sixtus Rummel ver-
mochte zunächst auf die Kontrahenten beruhigend einzuwirken, verstarb aber Ende
1529.4 Danach entbrannte die Kontroverse in voller Schärfe.
Zur Beilegung des leidigen Konflikts veranstaltete der Kemptener Rat eine Dis-
putation über den Sinn der Einsetzungsworte Jesu. Als im Anschluß daran die
Mehrheit der Ratsherren befand, daß die lutherische Interpretation besser begrün-
det sei, weigerte sich Haistung, diese Entscheidung anzunehmen. Einem Bericht zu-
folge soll Haistung sogar vor dem Rathaus sein Schwert gezogen und gegen die lu-
therisch Gesinnten gerichtet haben, was zu Gewalttätigkeiten führte.5 Die Position
des Rats war dadurch erschwert, daß Haistung einen beträchtlichen Rückhalt in der
Bevölkerung Kemptens besaß und sich der einflußreichen Unterstützung Zwinglis
und des Ulmer Predigers Konrad Sam gewiß sein konnte.6 Daraufhin erbat der Rat
1. Zum folgenden vgl. Köhler, Zwingli und Luther II, S.315-318 sowie die ausführliche, aber
veraltete Studie von Erhard, Sakramentsstreitigkeiten; letzteren Aufsatz verfaßte Erhard ohne
Kenntnis des außerordentlich wichtigen Schreibens Seegers und Rottachs an Luther vom 10. Juli
1533 (Straßburg StArch, AST 174 [Varia ecclesiastica IX], Nr.25, fol.282r-307v; vgl. WA Br 12,
Nr.4249, S. 140-149); dieses bisher unedierte Dokument ist zum Verständnis des Kemptener
Abendmahlsstreits unentbehrlich; in seinem späteren Werk (Reformation der Kirchen in Kempten,
S. 31:—39) geht Otto Erhard ausführlicher auf diesen Brief ein; eine erschöpfende, unsere aktuelle
Kenntnis der jeweiligen Abendmahlstheologie Bucers und Luthers berücksichtigende Studie dieser
umfangreichen Quelle steht jedoch noch aus.
2. Zu ihm vgl. unten S. 96, Anm. 3.
3. Die Edition der jeweiligen Abendmahlsbekenntnisse der drei Kemptener Prediger als Beilage
zu Nr.4 (vgl. unten S. 155-250) bietet die Gelegenheit, die Rezeption der jeweiligen Abendmahls-
theologie Luthers, Zwinglis und Bucers unter den Predigern dieser oberdeutschen Reichsstadt einer
nuancierten, vergleichenden Prüfung zu unterziehen.
4. Es spricht einiges dafür, daß Rummel mit Luthers Abendmahlslehre sympathisierte. So jeden-
falls läßt sich seine Äußerung in einem Brief an Andreas Althamer vom 15. April 1528 interpretie-
ren (»qua in re [sc. Eucharistiae controversia] iuxta verbum domini tecum firmiter sentio«, zit. in
Erhard, Sakramentsstreitigkeiten, S. 155). Als Unbehagen über zwinglianische Einflüsse in Kemp-
ten läßt sich auch eine Formulierung (»nova, que feruntur tam varia sunt nobiscum, ut noluerim
quicquam adscribere«, zit. m Erhard, Sakramentsstreitigkeiten, S. 156) in emern Bnef vom Herbst
1528, ebenfalls an Althamer, auffassen.
5. Immenkötter, Stadt und Stift, S. 172; Litz, Bilderstürme in Oberschwaben, S.27.
6. Brecht/Ehmer, Südwestdeutsche Reformationsgeschichte, S. 165.
 
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