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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 8): Abendmahlsschriften 1529 - 1541 — Gütersloh, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.29834#0235
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BEILAGE 3 ZU 4. GUTACHTEN FUR DEN KEMPTENER RAT

231

Christi mit der menschlichen Natur vereinigt. Eine zusätzliche wesentliche Verbin-
dung, diesmal mit dem Brot, sei deshalb auszuschließen.
Als zweites Argument gegen diese Interpretation nennt Haistung die Predigt Jesu
in Joh 6, die durchaus als Abendmahlstext aufzufassen sei. Aus ihr ergebe sich, daß
Leib und Blut Christi ohne wahren Glauben nicht empfangen werden könnten.
Zum Zentrum des Abendmahls gehöre die geistliche Nießung des Leibes und des
Blutes Christi, von der in Joh 6 die Rede sei.
Drittens könne auch deshalb der natürliche Leib Christi nicht im Abendmahl ge-
nossen werden, weil dieser Leib in den Himmel aufgefahren sei und zur Rechten
Gottes des Vaters sitze. Christi Anwesenheit im Abendmahl könne deshalb nur eine
rein geistliche sein. Allein seiner göttlichen Natur nach sei Christus an allen Orten
im Himmel und auf Erden gegenwärtig. Genau wie sein Gegner Rottach - aber im
entgegengesetzten Sinn - fordert Haistung seine Hörer und Leser auf, alle fleischli-
chen Gedanken fahren zu lassen und von der Vorstellung Abstand zu nehmen, man
könne im Abendmahl den Leib Christi leiblich empfangen. Die einzige Nießung,
auf die es im Abendmahl ankomme, sei die geistliche.
Viertens rührt nach Meinung Haistungs die fehlerhafte Auslegung der Einset-
zungsworte durch die Gegner im Abendmahlsstreit daher, daß sie das Verhältnis
zwischen Zeichen und Bezeichnetem falsch verstünden. Wenn Gott in Gen 17, io die
Beschneidung einen »Bund« und in Ex 12,11 das Opferlamm einen Übergang
(»Passa«) nenne, verstehe es sich von selbst, daß er hierbei das Zeichen und das Be-
zeichnete nicht gleichsetze. Dasselbe gelte für den Atem, mit dem Jesus seine Jünger
in Joh 20,22 anblase und den er seinen »Heiligen Geist« nenne. Äußerliche Zeichen
dürften mit der geistlichen Wirklichkeit, auf die sie hinwiesen, nicht verwechselt
werden. Wenn Jesus vom Brot sage: »dies ist mein Leib«, meine es nach Art der Hei-
ligen Schrift dasselbe, als wenn er spräche: »dies ist ein Zeichen meines Leibes«. Dies
ändere nichts an der Tatsache, daß Christus mit diesem äußerlichen Zeichen seinen
wahren Leib geistlich und innerlich gebe.
Haistung schließt sein Bekenntnis mit einer Zusammenfassung seiner Position in
Form von vier Thesen [88r-89r]:
Erstens würden im Abendmahl zwei Dinge überreicht: einerseits irdische, mit
den Smnen faßbare Zeichen - das Brot und der Wein, andererseits eine himmlische,
geistliche, durch jene Zeichen symbolisierte Wirklichkeit - nämlich der Leib und
das Blut Christi.
Zweitens müsse zwischen einer geistlichen und einer äußerlichen (Haistung
nennt diese »sakramentliche«) Nießung unterschieden werden. Im letzteren über-
reiche der Priester das Brot und den Wein dem Mund, im ersteren überreiche der
Hohepriester Christus seinen Leib und sein Blut der gläubigen Seele.
Drittens sei es unter Zuhilfenahme des Begriffs der »sakramentlichen Einigkeit«
tatsächhch möglich, vom Brot 1m Abendmahl als vom Leib Christi zu sprechen.
Diese unio sacramentalis schließe jedoch jegliche materienhafte Identität des Leibes
mit dem Brot, jede Veränderung der Natur des Brotes und jegliche räumliche mclu-
sio des Leibes Christi im Abendmahlsbrot aus.
 
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