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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0333
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Einleitung

Obwohl der Rat die alte Kirche stützte, machte er vereinzelt Zugeständnisse an die wachsende neu-
gläubige Bevölkerung der Stadt: 1526 stellte er Ulrich Villinger26 als evangelischen Prediger an.27 Die
evangelische Sache in Esslingen erhielt dadurch Vorschub, dass im Januar 1525 das Verhör des Reutlinger
Reformators Matthäus Alber vor dem hier ansässigen Reichsregiment stattfand. Dieser einzige Prozess, der
auf Reichsebene gegen die Missachtung des Wormser Edikts durchgeführt wurde, blieb ohne Urteil, Alber
konnte die Stadt unbehelligt verlassen.28
Die altgläubige Partei in Esslingen wurde hingegen dadurch geschwächt, dass der Rat dem Pfarrer
Balthasar Sattler29 nach zahlreichen Auseinandersetzungen 1529 die Zustimmung verweigerte, weiterhin in
Esslingen tätig zu sein. Sattler verließ daraufhin die Stadt.30 Mit diesem Akt gelang es dem Esslinger Rat,
auf Kosten des Speyerer Domkapitels sein Mitspracherecht an der Pfarrkirche auszubauen.

3. Einführung der Reformation 1531/32
1. Ratsverkündung zur Anstellung eines Predigers und Wahrung des innerstädtischen Friedens in der
Religionsfrage 20. August 1531 (Text S. 329)
Nach Ende des Augsburger Reichstags im November 1530 änderte sich die religionspolitische Situation für
Esslingen gravierend. Zum einen hatte das einflussreiche Ulm beschlossen, die Reformation einzuführen,
zum anderen schlossen sich die evangelischen Reichsstände im Frühjahr 1531 im Schmalkaldischen Bund
zusammen. Vor dem Hintergrund, dass die Esslinger Bevölkerung inzwischen mehrheitlich evangelisch war
und sich durch einen Generationswechsel im Magistrat seit 1530 Veränderungen abzeichneten,31 ergab sich
für den Rat erstmals die Möglichkeit, eine evangelische Religionspolitik zu verfolgen.32
Erste Schritte in diese Richtung unternahm man am 20. August 1531,33 indem beschlossen wurde, einen
evangelischen Prediger anzustellen. Leonhard Wernher aus Waiblingen, der bereits am 13. August eine
Probepredigt gehalten hatte, wurde daraufhin als Prediger an der Frauenkirche - deren Patronat der Rat
besaß - eingesetzt.34 Da Wernher die reformatorische Umgestaltung des Esslinger Kirchenwesens nicht
allein bewerkstelligen konnte, berief man Mitte September den Konstanzer Theologen Ambrosius Blarer
hinzu, der zuvor die Reformation in Ulm mitgestaltet hatte.35 Blarer blieb bis Juni 1532 in der Neckarstadt
und gab der Esslinger Reformation Impulse oberdeutsch geprägter Theologie.36

26 Zu Ulrich Villinger gen. Haselbeck, siehe Schröder,
Kirchenregiment, S. 405; Cramer, Pfarrerbuch III,
Nr. 101.
27 StadtA Esslingen, Reichsstadt, F. 10, p. 68. Vgl. Zoll-
ner, Ettlingen, S. 107-111; Schiess, Briefwechsel I,
Nr. 210, S. 263f.
28 Volk, Verhör, S. 198-249; Borst, Geschichte der
Stadt, S. 229; Schröder, Kirchenregiment, S. 71.
29 Dr. Balthasar Sattler war von 1518 bis 1522 zunächst
Professor für Theologie in Tübingen und kam 1522 als
Pfarrer nach Esslingen, vgl. Schröder, Kirchenregi-
ment, S. 42; Schild, Religionen, S. 123.
30 Schröder, Kirchenregiment, S. 64-68, 78; Rublack,
Bewegung, S. 207f.; Borst, Geschichte der Stadt,
S. 230.
31 Zwischen 1530 und 1532 schieden 23 zumeist altgläubige

Ratsherren aus. Ihre Plätze wurden mehrheitlich von
evangelischen Personen eingenommen, Rublack,
Bewegung, S. 214f.
32 Schröder, Kirchenregiment, S. 85f.
33 Vgl. Bernhardt, 450 Jahre, S. 112. Das Mandat geht
auf eine Straßburger Vorlage vom 1. Dezember 1523
zurück. Diese ist abgedruckt bei Moeller, L’édit,
S. 57f.
34 Schröder, Kirchenregiment, S. 86f.
35 Siehe oben, S. 67.
36 Brecht, Blarers Wirksamkeit, S. 146-151; Schiess,
Briefwechsel I, Nr. 211 S. 264; vgl. Nr. 213-216, Nr. 218,
Nr. 224, Nr. 227; Schröder, Kirchenregiment, S. 89.
Zu Blarers Wirken in Esslingen siehe auch Schnaufer/
Haffner, Beiträge, S. 26-58.

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