Einleitung
bekräftigte der Rat noch, dass das Interim weiterhin gültig bleibe,54 aber am 31. Dezember beschloss er
schließlich, es aufzugeben.55
Am 27. Dezember 1555 erklärte sich der Rat bereit, die Nürnbergische Religion anzunehmen. Hiermit
war die brandenburg-nürnbergische Kirchenordnung von 1533 gemeint.56 Dass man nach dem Interim
erneut das Thema einer Kirchenordnung debattierte, lässt erkennen, dass man mit der württembergischen
Ordnung, auf deren Grundlage man 1537 die Giengener Reformation gestellt hatte, nicht mehr zufrieden
war. Am 7. Januar 1556 erklärte sich die Mehrheit des Rats bereit, die brandenburg-nürnbergische Ordnung
anzunehmen, ein kleinerer Teil wollte lieber bei der württembergischen bleiben, ein weiterer die pfälzische
Kirchenordnung einführen.57 Das Gros der Ratsherren setzte sich schließlich durch und am 21. Februar
beschloss der Magistrat die Annahme des brandenburg-nürnbergischen Regelwerks.58 Mit diesem Beschluss
war die Auseinandersetzung um eine Kirchenordnung in Giengen jedoch noch nicht beendet. Ein Eintrag in
den Ratsprotokollen vom 10. April 1556 wies darauf hin, dass die nürnbergisch ordnung abermals, yetz zum
4. mal, angenomen worden war,59 und am 27. April hieß es: Von der kürchen ordnung und ainem pfarrer
zureden fürgenomen, heut widerumb das fünfftmal das merer worden, das ain rath nochmaln die nürnbergische
ordnung annemen und haben wölle. Darauff von aim pfarrer gerödt, ist das merer, das man ain pfarrer, der
würtembergischen confession verwandt, annemen, unangesehen der obgemellten nürnbergischen ordnung, die
wider angestöllt ist.60
Mit diesem Datum scheint die Diskussion um die Kirchenordnung zunächst einmal abgeschlossen.
1570/71 kam sie jedoch erneut auf, wobei man nun über die Anfertigung eines eigenen Texts beriet, denn am
22. Dezember 1570 hörte sich der Rat deß herrn pfarrers newgstelte kirchenordnung an.61 Eine Woche später,
am 29. Dezember, wurden die beiden Bürgermeister Rochus Amman und Christoph Stumpff beauftragt,
mit Pfarrer und Prediger wegen der Kirchenordnung zu verhandeln und die Geistlichen insbesondere zur
Änderung bestimmter Artikel zu bewegen, um ergernuß beim gmainen mann zuverhueten.62 Der Rat beriet
anschließend über den revidierten Entwurf. Am 2. Januar 1571 wandte er sich an Pfarrer und Prediger und
übergab ihnen eine Resolution.63 Nach dieser Aktion schweigen die Ratsprotokolle zur Frage der Kirchen-
ordnung. So intensiv die Diskussion um eine Ordnung der kirchlichen Gebräuche anhand der überlieferten
Quellen nachvollzogen werden kann, so unbefriedigend ist die Überlieferungslage für die Kirchenordnung
selbst: Auch von der nach dem Interim entworfenen Giengener Kirchenordnung ist kein Textzeuge erhalten.
1. Eheordnung 30. April 1583 (Text S. 423)
Das einzig überlieferte reformatorische Regelwerk der Stadt Giengen, das für unsere Edition von Bedeu-
tung ist, stellt eine Eheordnung aus dem letzten Viertel des 16. Jahrunderts dar. Die Neuordnung des
Eherechts und -gerichts lässt sich in Giengen bis in die Anfangszeit der Reformation zurückverfolgen, denn
bereits 1538 hatte der Rat der Reichsstadt in mehreren Fällen das bischöfliche Ehegericht in Augsburg
54 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 93a, fol. 94b.
55 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 108b, fol. 109b;
vgl. Bartelmess, Giengen, S. 63.
56 Abdruck in Sehling, EKO XI, S. 140-204 und Osi-
ander, Gesamtausgabe 5, S. 37-177.
57 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 177a. Hier ist
die Pfalz-Neuburger Kirchenordnung von 1554 gemeint.
58 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 182a.
59 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 190b.
60 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 196a. 1556
beschloss der Rat, Wendelin Schempp, einen Schüler
Martin Frechts aus Ulm, als Prediger nach Giengen zu
holen. Zu Schempp siehe Magenau, Beschreibung,
S. 80f.
61 StadtA Giengen, Ratsprotokolle VI, fol. 292a.
62 StadtA Giengen, Ratsprotokolle VI, fol. 292b.
63 StadtA Giengen, Ratsprotokolle VI, fol. 293b: Ains raths
gstelte resolution oder anntwurt uff deß herrn pfarrers uber-
gebne puncten, die kirchenordnung belangend, soll baiden
herrn, pf. unnd predigern, uberantwurt werden.
421
bekräftigte der Rat noch, dass das Interim weiterhin gültig bleibe,54 aber am 31. Dezember beschloss er
schließlich, es aufzugeben.55
Am 27. Dezember 1555 erklärte sich der Rat bereit, die Nürnbergische Religion anzunehmen. Hiermit
war die brandenburg-nürnbergische Kirchenordnung von 1533 gemeint.56 Dass man nach dem Interim
erneut das Thema einer Kirchenordnung debattierte, lässt erkennen, dass man mit der württembergischen
Ordnung, auf deren Grundlage man 1537 die Giengener Reformation gestellt hatte, nicht mehr zufrieden
war. Am 7. Januar 1556 erklärte sich die Mehrheit des Rats bereit, die brandenburg-nürnbergische Ordnung
anzunehmen, ein kleinerer Teil wollte lieber bei der württembergischen bleiben, ein weiterer die pfälzische
Kirchenordnung einführen.57 Das Gros der Ratsherren setzte sich schließlich durch und am 21. Februar
beschloss der Magistrat die Annahme des brandenburg-nürnbergischen Regelwerks.58 Mit diesem Beschluss
war die Auseinandersetzung um eine Kirchenordnung in Giengen jedoch noch nicht beendet. Ein Eintrag in
den Ratsprotokollen vom 10. April 1556 wies darauf hin, dass die nürnbergisch ordnung abermals, yetz zum
4. mal, angenomen worden war,59 und am 27. April hieß es: Von der kürchen ordnung und ainem pfarrer
zureden fürgenomen, heut widerumb das fünfftmal das merer worden, das ain rath nochmaln die nürnbergische
ordnung annemen und haben wölle. Darauff von aim pfarrer gerödt, ist das merer, das man ain pfarrer, der
würtembergischen confession verwandt, annemen, unangesehen der obgemellten nürnbergischen ordnung, die
wider angestöllt ist.60
Mit diesem Datum scheint die Diskussion um die Kirchenordnung zunächst einmal abgeschlossen.
1570/71 kam sie jedoch erneut auf, wobei man nun über die Anfertigung eines eigenen Texts beriet, denn am
22. Dezember 1570 hörte sich der Rat deß herrn pfarrers newgstelte kirchenordnung an.61 Eine Woche später,
am 29. Dezember, wurden die beiden Bürgermeister Rochus Amman und Christoph Stumpff beauftragt,
mit Pfarrer und Prediger wegen der Kirchenordnung zu verhandeln und die Geistlichen insbesondere zur
Änderung bestimmter Artikel zu bewegen, um ergernuß beim gmainen mann zuverhueten.62 Der Rat beriet
anschließend über den revidierten Entwurf. Am 2. Januar 1571 wandte er sich an Pfarrer und Prediger und
übergab ihnen eine Resolution.63 Nach dieser Aktion schweigen die Ratsprotokolle zur Frage der Kirchen-
ordnung. So intensiv die Diskussion um eine Ordnung der kirchlichen Gebräuche anhand der überlieferten
Quellen nachvollzogen werden kann, so unbefriedigend ist die Überlieferungslage für die Kirchenordnung
selbst: Auch von der nach dem Interim entworfenen Giengener Kirchenordnung ist kein Textzeuge erhalten.
1. Eheordnung 30. April 1583 (Text S. 423)
Das einzig überlieferte reformatorische Regelwerk der Stadt Giengen, das für unsere Edition von Bedeu-
tung ist, stellt eine Eheordnung aus dem letzten Viertel des 16. Jahrunderts dar. Die Neuordnung des
Eherechts und -gerichts lässt sich in Giengen bis in die Anfangszeit der Reformation zurückverfolgen, denn
bereits 1538 hatte der Rat der Reichsstadt in mehreren Fällen das bischöfliche Ehegericht in Augsburg
54 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 93a, fol. 94b.
55 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 108b, fol. 109b;
vgl. Bartelmess, Giengen, S. 63.
56 Abdruck in Sehling, EKO XI, S. 140-204 und Osi-
ander, Gesamtausgabe 5, S. 37-177.
57 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 177a. Hier ist
die Pfalz-Neuburger Kirchenordnung von 1554 gemeint.
58 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 182a.
59 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 190b.
60 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 196a. 1556
beschloss der Rat, Wendelin Schempp, einen Schüler
Martin Frechts aus Ulm, als Prediger nach Giengen zu
holen. Zu Schempp siehe Magenau, Beschreibung,
S. 80f.
61 StadtA Giengen, Ratsprotokolle VI, fol. 292a.
62 StadtA Giengen, Ratsprotokolle VI, fol. 292b.
63 StadtA Giengen, Ratsprotokolle VI, fol. 293b: Ains raths
gstelte resolution oder anntwurt uff deß herrn pfarrers uber-
gebne puncten, die kirchenordnung belangend, soll baiden
herrn, pf. unnd predigern, uberantwurt werden.
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