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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0052
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Das Erzstift Köln

3. Der Reformationsversuch Hermanns von Wied (1542-1547)
Einfluss auf Hermanns persönliches Bekenntnis zur Reformation hatten Nikolaus Pruckner25, der seit 1523
der neuen Lehre anhing. Er war 1537 als Mathematiker und Astronom an den Kölner Hof gekommen und
wurde später auch Hermanns Beichtvater. Ferner ist Peter Medmann26 zu nennen, der seit 1543 zu Her-
manns engsten Beratern zählte.27 Daneben werden, auch einige evangelische Domherren, einige Räte am
erzbischöflichen Hof sowie die Grafen Wilhelm II. von Neuenahr (um 1497-1552) und Wilhelm I. von
Nassau-Dillenburg (1487-1559) Einfluss auf Hermanns Hinwendung zur neuen Lehre gehabt haben.28
Auf Reichsebene suchte man die Kirchenspaltung 1540/41 mit Religionsgesprächen in Hagenau, Worms
und Regensburg zu überwinden.29 Zwischen Alt- und Neugläubigen konnte jedoch keine Einigung erzielt
werden, und im Abschied des Regensburger Reichstag vom 29. Juli 1541 wurde festgehalten, dass die
Stände selbst „christliche ordnung und Reformation fürzunemen und auffzurichten [hätten], die zu guter
gebürlicher und heylsamer administration der Kirche fürderlich und dienstlich“ seien.30
Infolge dieses Beschlusses berief Hermann von Wied im Frühjahr 1542 einen Landtag nach Bonn ein
und stellte seine Absicht vor, die Reformation im Erzstift einzuführen. Der Landtag billigte diese, und der
Erzbischof berief daraufhin Martin Bucer, den er bei den Religionsgesprächen kennengelernt hatte, als
Reformator des Erzstifts.31 Ende 1542 kam Bucer nach Bonn, wo er evangelische Predigten hielt und
gemeinsam mit Johannes Gropper ein Reformprogramm entwerfen sollte.32 Während sich Gropper bald von
der Zusammenarbeit zurückzog, entwarf Bucer unter Mitarbeit Philipp Melanchthons Ende Juni 1543 mit
dem „Einfaltigen Bedenken“ eine dreiteilige Kirchenordnung, in der er die Lehre, die Zeremonien und die
Reform des äußeren Kirchenwesens behandelte.33
Am 23. Juli legte Hermann von Wied dem Landtag das „Bedenken“ vor. Die drei weltlichen Stände
billigten es, das Domkapitel, insbesondere Johannes Gropper, stellte sich jedoch dagegen.34 Der Einfluss des

24 So Köhn, Entwurf, S. 31f. Vgl. Flüchter, Zölibat,
S. 179 Anm. 771; Badea, Präeminenz, S. 30 Anm. 61.
25 Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 555.
26 Klugkist-Hesse, Hermann, Leben und Wirken des
Petrus Medmann, geheimen Rates des Kurfürsten Her-
mann von Wied. Zugleich ein neuer Beitrag zur Biogra-
phie Adolf Clarenbachs, in: MRKG 26 (1932), S. 321-341,
hier S. 322-327; Pollet, Martin Bucer 1, S. 254-257;
Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 626f.; Franzen,
Bischof und Reformation, S. 60 Anm. 10.
27 Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 66-154.
28 Köhn, Entwurf, S. 32f.; Franzen, Bischof und Refor-
mation, S. 60; Hatzfeld, Dr. Gropper, S. 208-230; Goe-
ters, Hermann von Wied, S. 125f.; Wolgast, Hochstift,
S. 93. Zu Hermanns Hinwendung zum Protestantismus
siehe dessen eigene Rückschau aus dem Jahr 1546,
ARCEG IV, Nr. 55. Vgl. Jedin, Fragen, S. 690-694;
Molitor, Hermann von Wied, S. 303.
29 Remy, Jochen, Die Reichsreligionsgespräche von Hage-
nau, Worms und Regensburg (1540/41), in: MEKGR 43
(1994), S. 29-49; Neuser, Bucers Programm, S. 227-239.
30 Schmauss/Senckenberg, Neue Sammlung 1, S. 428-
441. Vgl. Molitor, Erzbistum Köln, S. 365-367; Som-
mer, Hermann von Wied 2, S. 675-721; Braunisch,
Gropper Briefwechsel I, Nr. 74; Badea, Präeminenz,
S. 17f.; Jedin, Fragen, S. 694f.; ARCEG IV, Nr. lf.;
Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 60-64.
31 Abdruck des Landtagsabschieds in ARCEG IV, Nr. 61

und Schlüter, Flug- und Streitschriften, S. 298-301.
Vgl. Braunisch, Gropper Briefwechsel I, Nr. 80; Köhn,
Entwurf, S. 44-46; Franzen, Bischof und Reformation,
S. 70; Molitor, Erzbistum Köln, S. 367f.; Sommer,
Hermann von Wied 2, S. 826-853.
32 Braunisch, Gropper Briefwechsel I, Nr. 107f., llOf.;
Pollet, Martin Bucer 1, S. 104-160; Schlüter, Flug-
und Streitschriften, S. 128-131; Badea, Präeminenz,
S. 36-44; Sommer, Hermann von Wied 2, S. 853-896;
Strohm, Berufung, S. 125-127; Jedin, Fragen, S. 695.
Zum Protest des Domkapitels gegen Bucers Berufung
siehe Floss/Pastor, Actenstücke, S. 127-131; Niessen,
Reformationsversuch, S. 304-306
33 Abdruck in Bucer, Deutsche Schriften 11,1, S. 163-429.
Zum Inhalt siehe Köhn, Entwurf, S. 71-156; Flüch-
ter, Zölibat, S. 184f.; Wichelhaus, Kölnische Refor-
mation, S. 70-73; Molitor, Erzbistum Köln, S. 369-373;
Faulenbach, Das 16. Jahrhundert, S. 148-190. Zu
Bucer und Melanchthon als Verfasser des Bedenkens und
ihren Quellen siehe Köhn, Entwurf, S. 67-71. Vgl. ebd.,
S. 40-58; Varrentrapp, Hermann von Wied, S. 125-
218; Ennen, Geschichte, S. 109-146; Drouven, Refor-
mation, S. 110-206; Deckers, Hermann von Wied,
S. 91-116; Franzen, Bischof und Reformation, S. 70-86;
Pollet, Martin Bucer 1, S. 33ff.; Flüchter, Zölibat,
S. 183-185; Schlüter, Flug- und Streitschriften, S. 69-
76; Wichelhaus, Denkschrift, S. 61-74.
34 Badea, Präeminenz, S. 55-66; Köhn, Entwurf, S. 58;

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