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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0080
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Die Grafschaft Wittgenstein

Am 1. August 1555 erließ Wilhelm d.Ä. eine weitere Kirchenordnung (Nr.la),23 deren Vorrede darauf
verweist, dass er für die Ausarbeitung einheimische und auswärtige Gelehrte konsultiert und nach Fertig-
stellung des Entwurfs verschiedene Gutachten eingeholt hatte. Obwohl keine Namen genannt sind, kommt
unter den regionalen Kräften Nikolaus Zell in Frage, der den Text maßgeblich entworfen haben dürfte.
Daneben wird auch Paul Asphe,24 der Pfarrer in Raumland, an der Ausarbeitung der Ordnung beteiligt
gewesen sein.25 Zu den auswärtigen Gutachtern gehörte vermutlich der hessische Superintendent Adam
Krafft, auf dessen Einfluss die inhaltliche Nähe der Wittgensteiner Kirchenordnung von 1555 zur hessi-
schen Kirchendienerordnung von 1537 schließen lässt.26
Die Ordnung regelt drei Bereiche des kirchlichen Lebens: Lehrnormen, Visitation und Synoden sowie
kirchliche Zeremonien. Wilhelm d.Ä. distanzierte sich vom alten Glauben und stützte die Reformation in
seinem Land neben der Bibel auf die Confessio Augustana von 1530. Er betonte die große Bedeutung
gleichförmiger Zeremonien in allen Kirchen seines Herrschaftsbereichs und traf Regelungen für Almosen-
kasten, Anstellung und Unterhalt von Pfarrern und Predigern, Finanzierung von Pfarr- und Predigerhäu-
sern sowie geistliche Zucht und weltliche Strafe.27 Bezüglich der Zeremonien sollten die Regelungen der von
Zell um 1552 entworfenen älteren Ordnung nicht abgelöst, sondern lediglich ergänzt werden. So wurden
insbesondere die früher getroffenen Bestimmungen zu den Festtagen nicht aufgehoben, sondern ihre fort-
dauernde Gültigkeit verfügt.28 Der Hinweis auf die Feiertage lässt ferner darauf schließen, dass die nicht
erhaltene ältere Wittgensteiner Kirchenordnung einen Abschnitt zu Fest- und Feiertagen enthielt und sich
daher möglicherweise an die hessische Kirchenordnung von 1532 anlehnte.29 Da die Wittgensteiner Ord-
nung vorwiegend kirchenorganisatorische Fragen regelte, stand sie jedoch auch der hessischen Kirchendie-
nerordnung von 1537 nahe.30
Der theologische Charakter der Wittgensteiner Ordnung wurde in der Forschung unterschiedlich
beurteilt. Während einige Meinungen dahin gingen, sie als lutherisch einzuordnen, da sie die Confessio
Augustana als Lehrgrundlage benennt,31 verweisen andere auf den in reformierten Kirchen vorherrschenden
Zug der presbyterialen Organisation, den auch die Wittgensteiner Ordnung aufweist. In Anlehnung an die
hessischen Vorbilder kann man in der Wittgensteiner Kirchenordnung jedoch unzweifelhaft einen Typus
erkennen, der sowohl lutherische als auch oberdeutsch-schweizerische Züge vereint: Während die evange-
lischen Zeremonien von der Wittenberger Theologie geprägt waren, indem etwa Luthers Tischgebete sowie
Morgen- und Abendsegen verwendet werden und die Pfarrer sich auf Johann Spangenbergs Leichenpredig-

23 Sein zu diesem Zeitpunkt als Mitregent fungierender
Sohn Wilhelm d. J. ist nicht als Aussteller genannt, Bur-
kardt, Kirchenordnung, S. 58.
24 Paul Asphe stammte aus Laasphe, hatte in Wittenberg
studiert und war dort 1538 ordiniert worden. 1542 war er
Pfarrer in Regensburg, um 1546 in Donauwörth, 1550
oder 1555 in Raumland und 1567 zweiter Pfarrer in Ber-
leburg, wo er 1568 starb, Schröer, Reformation 1,
S. 218, S. 620 Anm. 40; Bauer, Reformation Wittgen-
stein, S. 27; Bauks, Pfarrer, Nr. 137; Burkardt, Kir-
chenordnung, S. 70f.; Hinsberg, Sayn-Wittgenstein-
Berleburg, S. 123f.; Kroh, Wiederentdeckung, S. 21f.;
Herbers, Gottfried, Der Mönch vom Kloster Graf-
schaft (Paul Asphe) - Historische Erzählung aus der Ver-
gangenheit Westfalens, Leipzig 1902; Hamelmann,
Reformationsgeschichte, S. 304 Anm. 2.
25 Burkardt, Kirchenordnung, S. 69; Kroh, Wiederent-
deckung, S. 20.
26 Siehe unten, Anm. 30.
27 Zum Inhalt siehe Burkardt, Kirchenordnung, S. 58-69;

Winckel, Aus dem Leben Casimirs, S. 43-49; ders.,
Chronik, S. 32-34; Bauer, Reformation Wittgenstein,
S. 29-33; Schröer, Reformation 1, S. 213-215; Wied,
Entwicklung der Schulen, S. 62-67; Stupperich, Refor-
mationsgeschichte, S. 189; Kroh, Wiederentdeckung,
S. 24-26, 30-46; Hinsberg, Kirchengemeinde Berleburg,
S. 18f.; ders., Sayn-Wittgenstein-Berleburg, S. 121-123;
Reu, Quellen I/III,1/2, S. 1176*; Herbers, Beiträge,
S. 94.
28 Siehe oben, Anm. 21.
29 Vgl. Stupperich, Hessens Anteil, S. 157; Prieur, Im
Auftrag, S. 39. Abdruck der hessischen Kirchenordnung
von 1532 in Sehling, EKO VIII, S. 75-79.
30 Dies hat Burkardt, Kirchenordnung, S. 72 herausge-
arbeitet. Abdruck der hessischen Kirchendienerordnung
in Sehling, EKO VIII, S. 92-100. Vgl. Kroh, Wieder-
entdeckung, S. 23f.; Stupperich, Hessens Anteil, S. 157;
Prieur, Im Auftrag, S. 39.
31 Goebel, Uebersicht, S. 300 und Reu, Quellen I/III,1/2
(1935), S. 1176*.

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