Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0176
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Grafschaft Moers

Gaben einzelner Spender an einzelne Arme sollte ein „gemeiner Kasten“ eingerichtet werden, in den die
Gelder zusammenflossen und aus dem die Bedürftigen zentral versorgt würden.
Johann Schue ignorierte die Anweisung vom Oktober 1543 und nahm die Stolgebühren weiterhin selbst
ein. Mit diesem und anderen Schritten versuchte er, dem Vordringen der Reformation in Krefeld Wider-
stand zu leisten. Gegen den Willen des Klosters Meer, dem die Krefelder Pfarrkirche inkorporiert war,
konnte Graf Wilhelm Johann Schue nicht absetzen.22 Auch die außenpolitische Situation - seit September
1543 war Kaiser Karl V. Landesherr des der Grafschaft Moers benachbarten Herzogtums Geldern - zwang
den Grafen zu einer passiven Haltung gegenüber dem Kloster. Um die Reformation in Krefeld dennoch
voranzubringen, stellte Wilhelm II. an der Pfarrkirche evangelische Prediger an, die aufgrund des gespann-
ten Verhältnisses zu Johann Schue jedoch allesamt nur kurze Zeit in der Stadt blieben. Letztlich erreichten
die Prediger jedoch, dass konfessionelle „Mischgottesdienste“ in Gestalt römischer Messen mit evangeli-
scher Predigt gefeiert wurden. Erst Graf Hermann führte 1565 die Reformation in der Herrschaft Krefeld
ein.

3. Die Konsolidierung der Reformation unter Hermann (1552-1578)
Hermann von Neuenahr23 (1520-1578), der älteste Sohn Wilhelms II., heiratete im Alter von 17 Jahren
Magdalena, eine Tochter Graf Wilhelms I. von Nassau-Dillenburg (1487-1559). Durch diese Eheverbin-
dung suchte man das evangelische Netzwerk zu stärken: Mit Nassau-Dillenburg hatten sich die Neuenahrer
Grafen nicht nur mit einem evangelischen Fürstenhaus verbunden, sondern konnten in Sachen Reformation
auch weitere Unterstützung durch den Wetterauer Grafenverein erwarten, an dessen Spitze der Graf von
Nassau-Dillenburg stand. Darüber hinaus besaß Hermann von Neuenahr verwandtschaftliche Beziehungen
in die reformierten Niederlande: Wilhelm von Oranien (1533-1584) war sein Schwager, und seine Schwester
Walburga war mit Philippe von Montmorency, einem Führer der ständischen Opposition gegen König
Philipp II. von Spanien, verheiratet.24
Graf Hermann fungierte bereits seit 1541 als Mitregent seines Vaters, da dieser in diplomatischer Mis-
sion oft auf Reisen war. Hermann hatte 1542 in Wittenberg studiert und galt als gelehrt und sprachge-
wandt. Er stand mit zahlreichen Fürsten und Geistesgrößen in brieflichem Kontakt und genoss hohes
Ansehen unter den Reichsfürsten. Ebenso wie sein Vater besaß auch Hermann ein tolerantes, ausgleichendes
Wesen und warb als Anhänger von Luthers Lehre bei seinen Glaubensgenossen um Verständnis für Katho-
liken und Reformierte.25
1548 hatte Wilhelm II. das Augsburger Interim annehmen müssen: Der Moerser Karmeliterkonvent
wurde restituiert und die Pfarrstellen der Grafschaft, die im Laufe der 1540er Jahre fast alle in evangelische

22 Wilhelm II. beauftragte seinen Landdrost Bertram von
der Lippe gen. Hoen († 1557) damit, Johann Schue zur
Resignation zu bewegen. Bis zu seinem Tod führte Ber-
tram gegen Schue einen ergebnislosen Kleinkrieg, den
noch sein Sohn fortsetzte, Buschbell, Geschichte,
S. 76-97; Knipping, Reformationsgeschichte, S. 98-137;
Daebel, Reformation, S. 84-86; Deisel, Krefeld,
S. 30-34; Faulenbach, Hermann, Graf zu Neuenahr,
S. 78; Henrichs, Geschichte, S. 152-160; Rotscheidt,
Wie wurde die Grafschaft Moers evangelisch, S. 9;
Forsthoff, Rheinische Kirchengeschichte 1, S. 287-289;
Rembert, Einführung, S. 45-64.

23 Zu Hermann von Neuenahr siehe Daebel, Reformation,
S. 110-117; Henrichs, Geschichte, S. 167-204; Alt-
gelt, Geschichte, S. 92-103; Faulenbach, Hermann
von Neuenahr, S. 105-123; ders., Hermann, Graf zu
Neuenahr und Moers, S. 72-88; Barkhausen, Grafen
von Neuenahr-Moers, S. 117-121; Rembert, Einfüh-
rung, S. 5-31; Hirschberg, Geschichte, S. 76-89;
Haase, Hermann, S. 52f.; Kloosterhuis, Erasmusjün-
ger, S. 635f.
24 Daebel, Reformation, S. 114f.; Faulenbach, Her-
mann, Graf zu Neuenahr, S. 73-75.
25 Daebel, Reformation, S. 110-117.

158
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften