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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0182
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Die Grafschaft Moers

5. Kirchenordnung [1581] (Text S. 179)
Während Hermann von Neuenahr aus Sorge vor seinen katholischen Nachbarn das reformierte Bekenntnis
nicht offiziell in seinem Land eingeführt hatte, wandelte sich die Lage, als infolge des Übertritts Kurfürst
Friedrichs III. von der Pfalz zu Calvins Lehre auch andere Reichsfürsten dessen Beispiel folgten. Zu diesen
gehörte 1577 Johann VI. von Nassau-Dillenburg, der großen Einfluss auf die Fürsten der Nachbarterrito-
rien, insbesondere die Mitglieder des von ihm dominierten Wetterauer Grafenvereins, übte. In den Graf-
schaften Wittgenstein und Solms-Braunfels, die ebenfalls zum Verein gehörten, zeichnete sich ebenfalls der
innerevangelische Bekenntniswechsel ab. Vor diesem Hintergrund sah auch Adolf von Neuenahr die Mög-
lichkeit gekommen, offiziell zu Calvins Lehre überzutreten.70
Bald nach Übernahme der Regierung bemühte er sich um die Konzeption einer Kirchenordnung und
berief hierfür Anfang 1581 Johannes Badius (1548-1597)71. Dieser stammte aus der Nähe von Bedburg an
der Erft, hatte in Köln und Heidelberg studiert und dort Freundschaft mit Caspar Olevian geschlossen.
1573 wurde er Prediger an der Peterskirche in Heidelberg und 1575 Lehrer an der neu gegründeten pfälzi-
schen Adelsschule im elsässischen Selz. Als nach dem Tod Friedrichs III. das lutherische Bekenntnis in der
Kurpfalz wieder eingeführt wurde, verlor Badius 1577 seine Anstellung. Er ging nach Köln, wo er refor-
mierter Prediger wurde. Daneben war er am Aufbau eines reformierten Kirchenwesens in den Herzogtü-
mern Jülich und Berg sowie im Erzstift Köln beteiligt.
Zwischen Anfang April und Mitte Mai 1581 hielt sich Johannes Badius in Moers auf, um die Kirchen-
ordnung zu erarbeiten.72 Die Ordnung befasst sich mit Fragen von Lehre und Predigt, Taufe, Abendmahl,
Armenfürsorge, Buße, Katechismus, Eheeinsegnung, Feiertagen, Synoden, Kranken- und Gefangenenbe-
such sowie Begräbnissen.73 Diese Abschnitte stammen - wenn auch teilweise anders angeordnet - aus der
kurpfälzischen Kirchenordnung von 156374, die Badius als Vorlage diente. Unberücksichtigt blieb jedoch der
Heidelberger Katechismus, das Kernstück der Kurpfälzer Ordnung, den Badius nicht aufnahm.
In den meisten Kapiteln wurden einzelne Passagen wortgleich aus der Vorlage übernommen, vor allem
in den agendarischen Teilen der Ordnung, namentlich in den Abschnitten „Form zu tauffen“, „Form, daß
heilig nachtmahl zu halten“, „Wie man verlobte eheleut verkhündigen soll“, „Von besuchung der krancken“,
„Gebett bey dem krancken“, „Gebett bey den sterbenden“ und „Von der begrebnus“. Die Mehrzahl der
Kapitel - insbesondere die erläuternden, anordnenden Passagen - formulierte Badius jedoch eigenständig.
Ebenfalls unabhängig von der Vorlage entwarf er den Abschnitt zu den Synoden, der in der Kurpfälzer
Ordnung nicht enthalten ist. In der Kurpfalz wurden zwar ebenfalls Synoden abgehalten, deren Ablauf und

70 Daebel, Reformation, S. 205; ders., Synode Moers,
S. 23; Kohl, Art. Waldburg, Gebhard Truchseß von, in:
BBKL 13 (1998), Sp. 189-191.
71 Zu Johannes Schumacher, genannt Badius, siehe Holl-
weg, Walter, Johannes Schumacher, genannt Badius,
ein wahrer Reformator am Niederrhein, in: TARWPV NF
14 (1913), S. 1-60; NF 15 (1914), S. 47-61; Cuno, Blätter
der Erinnerung, S. 55-58; Daebel, Reformation, S. 262;
Rotscheidt, Wie wurde die Grafschaft Moers evange-
lisch, S. 13; Simons, Urkundenbuch 1, S. 138 Anm. 1,
S. 677 Anm. 2; Mast, Wie wurde die Grafschaft Moers
evangelisch, S. 27; Flesch, Konfessionalisierung, S. 18f.
72 Auf der Bedburger Synode vom 15. März 1581 hieß es zur
Berufung von Badius: „Aufs furgeben und fruntliches
gesinnen des wolgebornen hern grafen Adolphen zu Moers
an die Deutschen gemeinen von wegen Johannis Badii,
daß er I. Gn. zu einem kirchendiener vergunnet wurde,
durch welches hilf I. Gn. auch gute reformation in kirchen

und schulen an die hand nehmen muge - dieweil aber die
von Colln allerlei ursachen furbracht und hierinnen sich
sehr beschweren, so ist die sache nach notturft angehort
worden und also ratsam zu sein erfunden, daß Johannes
Badius auf Moers kome, demnach er im offentlichen
dienst des h. evangelii in scholen- und kirchen-reforma-
tion viel guits tun kunte, aber dis alles mit solcher con-
dition, daß nitz ohne beider verwilligung, nemlich des
consistorii zu Colln und auch Johannis Badii selbsten, in
diesem handel geschehe“, Simons, Urkundenbuch 1,
S. 154. Vgl. Daebel, Reformation, S. 205; Goeters,
Bentheim-Tecklenburgische Kirchenordnung, S. 83; Fau-
lenbach , Schola Moersensis, S. 22f.
73 Zum Inhalt siehe auch Daebel, Reformation, S. 206-
211; Goeters, Bentheim-Tecklenburgische Kirchenord-
nung, S. 75-92.
74 Siehe die einzelnen Nachweise unten, in der Edition.

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