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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0282
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Bentheim-Tecklenburg

Hebammen oder Weisemüttere oder sonsten andere
Personen die jungen Kinder im fall der noth tauffen
mögen, dardurch dann die ordnung Gottes ge-
schwecht und dem Volcke anlaß gegeben wirdt, dem
wercke der Tauff die Seligkeit wider den verstandt
der tauff unnd aller Sacramenten unnd fürnemblich
deß heiligen Bunds Gottes zuzuschreiben, So sol nun
vortan keiner, es sey im fall der not oder ausserhalb
derselb, die heilige Tauff [zu spenden sich] under-
stehen, welches alleine den Kirchendienern, wie
auch allein das Predigampt, von Christo befohlen,
Matth. 28, v. 19. Unnd so viel die Kinder der Chri-
sten, so ohne verrichtungv der Tauff sterben104, an-
langt, da wissen alle verstendige, daß sie nicht als
ver- |57| dampte, sondern als selige vermöge deß
Bundts Gottes, wie auch die Kinder im alten Te-
stamente, so für dem achten Tag ohne Beschneidung
stürben105, zu halten seindt. Sollen derhalben die
Kirchendiener dem gemeinen Volck diese zwey Stüc-
ke in der Lehr oder bedienung106 der heiligen Sa-
cramenten wol fürhalten und fleissig einbilden, daß
dem Kirchendiener das Tauffen wie das Predigen
und Nachtmahl außzutheilen allein gebüre, und daß
es keinen Creaturen, diesen befehl zu ändern, zuge-
lassen sey. Dann dieweil das lehren unnd Predigen
nach deß heiligen Apostels Pauli lehr, 1. Tim. 2,
v. 12, den Weibern verbotten, so ist inen gleichfals
das tauffen als ein stück deß Kirchendienstes ver-
botten. |58| Zu deme, daß die jungen Kinder nicht
erst (wie die unverstendige Kirchendiener gelehret
unnd das gemeine Volck verstanden) selich werden
in der Tauff, sondern daß ihnen die Seligkeit ver-
heissen auch in Mutterleib oder von anfang ires le-
bens, und daß derhalben sie von der Seligkeit nicht
außgeschlossen sein sollen, ob sie wol noth halben
die heilige Tauff nicht haben können.
Die Tauff sol nicht ohne Christliche versamblun-
ge unnd Lehr, quae est velut anima Testamenti, be-
dienet werden und derhalben fürnemblich an den ta-

π NB.
ρ NB.
σ NB.
v Im Druck: verachtung.

gen, wenn ordentliche Predigten geschehen, als am
Sontage, Feyrtagen oder sonsten in der Wochen,
wann die Gemeine Gottes bey einander ist, auff |59|
daß ein jeder seiner Tauff sich wisse zuerinnern
unnd die Christliche Gemein einhelliglich den Nah-
men Gottes uber das Kindt anruffen mögen, Der-
halben auch die Diener die Gemeine vermahnen sol-
len, nicht auß der Kirchen zu gehen, die Tauff sey
dann zuvor bedienet worden.
πEs sol auch in allewege der Vatter deß Kindes,
so er inheimisch, oder sonst jemandt von seinent
wegen den Kirchendiener zum wenigsten, ehe er die
Gevattern gebetten, einen tag zuvorn umb die Tauff
ansprechen und ersuchen, damit der Prediger sich
möge erkundigen, wes glaubens der Vatter und was
für gezeugen ersucht werden sollen und welcher Re-
ligion dieselbige sein, ρauff daß er bey zeiten ihne,
den Vatter, er- |60| mahne, keine leichtfertige oder
lästerhafftige oder sonst untüchtige Personen darzu
zu gebrauchen, Damit das H. Sacrament der Tauff
nit verunehret, auch das Kindt durch solche Gevat-
tern an Christlicher zucht nicht versäumet werde.
Sollen derwegen die Eltern selbst fleissig von den
Dienern vermanet werden, daß sie keine Gevatteren
beruffen, die nit der Religion zugethan und eins er-
barn lebens seindt. Und wo sie dawider werden han-
deln, daß dann solche Zeugen mit nichten bey der
Tauff zu stehen sollen zugelassen werden.
σDer Vatter sol auch bey der Action der H. Tauff
sein, unnd das auß den ursachen, damit er mit sei-
nem Gebett und | 61| gegenwart das Kindt Gott in
seinen Gnadenbundt auffopffere, Auch die pflicht,
das Kindt zum Christlichen glauben und zur buß zu
seiner zeit zu underweisen und zu halten, offentlich
thue. Es sol auch der Name deß Vatters, der Mut-
ter, deß Kindes und der Gevatteren ordentlich in ein
besonder Buch, so bey einer jeden Kirchen dazu ge-
macht sol werden, eingeschrieben werden.

104 Im reformierten Verständnis wird die Nottaufe abge-
lehnt, da sie nicht in Anwesenheit der Gemeinde erfolgt,
vgl. Beintker, Art. Taufe, reformiert, in: RGG 8,
Sp. 74.
105 Vgl. 2Sam 12,15-25.
106 Spendung, Grimm, DWb 1, Sp. 1230f.

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