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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0342
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Die Grafschaft Rietberg

holte Bernhard Elbert drei Jahre später als Pfarrer nach Rietberg zurück.26 Es spricht nichts dafür, dass in
Rietberg inzwischen die Reformation eingeführt worden war, es wäre allenfalls die Hinwendung der Riet-
berger Grafenbrüder zu dem von Erasmus geprägten Reformkatholizismus vorstellbar.27
Johanns II. Regentschaft war von zahlreichen Konflikten mit den benachbarten Territorialherren
geprägt, die schließlich 1557 im militärischen Einschreiten des niederrheinisch-westfälischen Reichskreises
gipfelten. Die TYuppen des Kreises besetzten die Stadt und schleiften die Burg, der Graf wurde auf Schloss
Büderich am Rhein gefangen gesetzt und die Grafschaft Rietberg als erledigtes Lehen vom hessischen
Landgrafen eingezogen. Das Land stand fortan unter einer mehrjährigen Sequestrationsverwaltung des
Reichskreises. Nachdem Johann II. 1562 gestorben war, ließ der hessische Landgraf als Rietberger Lehns-
herr die Grafschaft verwalten.28

1. Polizeiordnung 7. November 1566 (Text S. 329)
1562 übernahm Graf Johanns II. Witwe Agnes (um 1531-1589)29 die Regierung für die minderjährigen
Erbtöchter Armgard und Walburgis30. Drei Jahre später wurden diese mit der Grafschaft Rietberg belehnt.
Da die Schwestern in diesem Jahr noch unmündig waren, führte ihre Mutter die Regierungsgeschäfte
weiter.
Agnes stammte aus dem Hause Bentheim-Steinfurt, sie war die Schwester Everwins III. (1536-
1562)31, und erst während ihrer Regentschaft erscheint die Einführung der Reformation in der Grafschaft
Rietberg plausibel. Ein Beleg ihres Wirkens für die neue Lehre ist die Polizeiordnung, die sie am 7. Novem-
ber 1566 erließ. Darin schrieb sie den Besuch des evangelischen Gottesdiensts vor und stellte das Rietberger
Kirchenwesen auf die Grundlage der Confessio Augustana. Daneben forderte sie die Sonntagsheiligung,
schränkte die Feiern von Hochzeiten und Taufen ein, regulierte das Bettelwesen, verbot heimliche Ehe-
schließungen, verhängte Strafen für Ehebrecher, Diebe, Mörder und Zauberer und regelte weitere, über-
wiegend besitzrechtliche Belange.32

2. Anstellungsurkunde für den Rietberger Pfarrer Simon Hagemann 10. November 1568 (Text S. 332)
Obwohl die Polizeiordnung (Nr. 1) belegt, dass die Reformation 1566 in der Grafschaft Rietberg eingeführt
war, beließ Gräfin Agnes den Rietberger Pfarrer Bernhard Elbert, der vermutlich immer noch altgläubig
war, bis zu seinem Tod 1568 im Amt. Als Nachfolger setzte sie am 10. November dieses Jahres Simon
Hagemann33 aus Lemgo ein, der als ausgewiesener Lutheraner galt.34
In dessen Anstellungsurkunde (Nr. 2) ist erwähnt, dass er an Eides statt zugesagt habe, das Evangelium
rein und lauter zu predigen und die Sakramente gemäß der Confessio Augustana zu spenden. Von diesem

41; Brandt/Hengst, Erzbistum Paderborn 2, S. 65;
Schüpp, Reformation, S. 81; Butterweck, Geschichte,
S. 476.
26 Am 23. März 1555, LAV NRW W, Grafschaft Rietberg,
Urkunden, Nr. 715; vgl. Schüpp, Reformation, S. 83.
Stupperich, Reformationsgeschichte, S. 178 bezeichnet
das evangelische Kirchenwesen in der Grafschaft bei
Ottos IV. Tod 1552 als „gefestigt“.
27 Brandt/Hengst, Erzbistum Paderborn 2, S. 66.
28 Beine, Vor 400 Jahren, S. 90; Beine/Austermann,
Ostfriesland, S. 44; Flaskamp, Zur Kirchengeschichte
der Grafschaft, S. 33f.; Schüpp, Reformation, S. 83-87;
Behr, Hans-Joachim, Die Exekution des Niederrhei-
nisch-Westfälischen Kreises gegen Graf Johann von Riet-
berg 1556-1566, in: WZ 128 (1978), S. 33-104.

29 Zu Agnes von Bentheim-Steinfurt siehe Leesch, Grafen,
S. 332f.
30 Zu Armgard und Walburgis siehe ebd., S. 333-335;
Schwede, Münzwesen, S. 75f.
31 Zu Everwin III. siehe oben, S. 227 Anm. 55.
32 Punkte, die nicht das Kirchenwesen betreffen, wurden in
unserer Edition ausgelassen.
33 Zu Hagemann siehe Flaskamp, Hagemann, S. 113-129;
Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 421 Anm. 6;
Hanschmidt, Pfarrei St. Johannes Baptista, S. 13; Seh-
ling, EKO VII/1, S. 727 Anm. 15, S. 729 Anm. 24.
34 Die Anstellungsurkunde ist abgedruckt bei Flaskamp,
Hagemann, S. 123-125; vgl. ders., Zur Kirchengeschichte
der Grafschaft, S. 41-43; Hamelmann, Reformations-
geschichte, S. 421.

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