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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0396
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Die Stadt Soest

ten gehäuft hatten, wurde Musaeus - gegen den Protest der übrigen Soester Pfarrer sowie der Ämter - im
Juli 1575 entlassen.91
Der Rat nahm Musaeus Gravamina also nicht an. Vielmehr deuten die nach dem Interim zahlreich
erlassenen kleinen Ordnungen und Mandate zu einzelnen Themen darauf hin, dass die vermutlich wieder in
Geltung gesetzte Kirchenordnung Oemekens damit laufend ergänzt und aktualisiert wurde.92 Zu diesen
Ordnungen und Mandaten gehören Armenordnungen,93 eine Schulordnung von 1576/78,94 Artikel für die
Prediger von 1581,95 eine Täufpatenordnung von 1583,96 eine Eheordnung von 1583,97 Artikel gegen
Unzucht von 1593,98 eine Schulordnung von 1596" sowie Ordnungen der Hochzeitsmähler von 1604 und
1608.100
7. Armenordnung 10. Mai 1581 (Text S. 475)
Seit dem 14. Jahrhundert wurde die Fürsorge für die Armen von kirchlichen Institution (Hospitalorden)
und Einzelpersonen auch in den Aufsichtsbereich der Städte verlagert, die nun ebenfalls Spitäler unterhiel-
ten. Die städtischen Magistrate griffen in das Armenwesen ein, verboten vielerorts die Bettelei und regelten
die Versorgung der Bedürftigen. Bereits 1370 wurde in Nürnberg eine Bettelordnung erlassen, die älteste
bekannte Ordnung dieser Art, der weitere in anderen Städten folgten.101 Auch in Soest wurde der Rat
hinsichtlich der Versorgung von Armen und Bettler aktiv, indem er Provisoren für die Rentengeschäfte der
Hausarmen bestellte sowie seinen Einfluss auf die Hospitäler und Armenhäuser erweiterte.102
Der seit Ende des 15. Jahrhunderts europaweit zu verzeichnende Anstieg der Armenzahlen fiel zeitlich
mit den Anfängen der Reformation zusammen, und die Bekämpfung der Armut wurde für viele evangeli-
sche Landesherren und städtische Magistrate zu einem Handlungsfeld reformatorischer Neuerungen. Sie
nahmen einige grundlegende Veränderungen im Umgang mit dem Armutsproblem vor, indem sie so
genannte gemeine Kästen einrichteten, in denen Gelder verschiedener Provenienzen zusammenflossen. Aus
diesen Fonds wurden der Unterhalt kirchlicher Institutionen und ihres Personals sowie die Armenfürsorge
bestritten. In der Soester Kirchenordnung von 1532 wurden ebenfalls Bestimmungen zur Einrichtung eines
Armenkastens festgehalten.103
Detaillierte Regelungen für das Soester Armenwesen traf man jedoch erst in der zweiten Hälfte des 16.
Jahrhunderts. Im Mai 1581 erließ der Magistrat eine Armenordnung, in der er regelte, dass sämtliche
Personen, die sich in den vergangenen sechs Jahren in Stadt und Börde niedergelassen hatten, über Fami-
lienstand, Herkunft, Lebensumstände und die Gründe ihrer Armut Auskunft geben sollten. Wer dieser
Aufforderung nicht innerhalb von sechs Wochen nachkäme, sollte der Stadt und ihres Territoriums verwie-
sen werden. Die Ordnung enthält zahlreiche Regelungen, die darauf zielten, die „würdigen“ Armen von den
vermeintlichen Betrügern zu unterscheiden. Die anerkannten Bedürftigen, zu denen auch Schüler gehörten,

trechtich und freiwillig angenommen alle christliche orde-
nung und aus irem bitten und befelch in dis buch verfaßet
unde gedruckt zu Gotz lob, seligkeit der seelen, auch
gemeinem friede und eintracht, dafür Godt gelobt und
gepriesen durch Jhesum Christum, wilcher uns und unsere
nachkomlinge dabei genedichlich wolle bekrefftigen und
zu fride bringen, Amen“, StadtA Soest Abt. A Nr. 6156b,
p. 81. Vgl. Peters, Soester Kirche, S. 70 Anm. 18; ders.,
Corpus Doctrinae, S. 93-96.
91 Peters, Corpus Doctrinae, S. 96f.; Schwartz,
Geschichte, S. 316; Rothert, Kirchengeschichte,
S.124-126.
92 Schwartz, Geschichte, S. 316; Rothert, Kirchenge-
schichte, S. 123.

93 Deus, Soester Recht 5, S. 695-700.
94 Ebd., S. 731-733.
95 Ebd., S. 734f.
96 Siehe unten, Nr. 8.
97 Siehe unten, Nr. 9.
98 Deus, Soester Recht 5, S. 760f.
99 Ebd., S. 763-787.
100 Ebd., S. 805-808, 826; vgl. Peters, Soester Kirche, S. 70.
101 Vgl. Arend, Reformierte Allianzen, S. 113-119, zu den
frühen Armenordnungen ebd., S. 114 Anm. 13.
102 Sander-Berke, Armut, S. 321.
103 Siehe unten, S. 453, vgl. Sander-Berke, Armut, S. 321.

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