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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0030
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Noch stärker war eine derartige Einwirkung des Herzogs bei den Frauenklöstern, da er die
Ernennung ihrer die Wirtschaft führenden Pröpste für sich in Anspruch nahm. So hat nament-
lich Herzog Julius die Klostersachen vorwiegend nach der wirtschaftlichen Seite hin und per-
sönlich entschieden. Eine Klosterordnung vom 9. Januar 1573 betraf ausschließlich wirtschaft-
liche Angelegenheiten (vgl. Brenneke II). Seit 1574 war das Konsistorium hier völlig aus-
geschaltet, entgegen den Bestimmungen in der KO; es verblieb ihm lediglich das Aufsichtsrecht
über die Klosterschulen. Bereits Krusch (vgl. S. 40 f., 132, 153) wies darauf hin, daß nicht
alles im Interesse der Untertanen geschah (vgl. hierzu Brenneke II, ferner auch Oehr,
S. 14 ff.). Eine eingehende Untersuchung über die wolfenbüttelschen Klöster im 16. Jahrh.
steht noch aus. Bekannt sind eine Reihe von Verordnungen: 1574 sollte eine ausgehen mit der
Forderung, daß alle Klostergeistlichen, die die neue Lehre nicht annehmen wollten, binnen
Jahresfrist ihre Güter verkaufen und das Land verlassen sollten (vgl. Arch. d. LKA Wolfen-
büttel, Nr. 1938). 1572 verlangte man von den Klosterpfarrern ein Verzeichnis darüber, wie
oft die Klosterangehörigen zum Abendmahl kamen (vgl. ebda.). Im gleichen Jahre sollten die
papistischen Bücher aus den Klöstern entfernt, dafür lutherische angeschafft werden (vgl. St.
A. Wolfenbüttel, L Alt Abt. 1 Gr. 9, Nr. 190). Diese Forderung wurde 1573 bei der übersen-
dung der neuen Klosterordnung wiederholt (vgl. Brenneke II). Laut General-Konsistorial-
Protokoll von 1583 (vgl. Arch. d. LKA Wolfenbüttel Nr. 220) hatte man festgestellt, daß die
Klosterfungfrauen immer noch nach alter Weise lateinisch sangen, weil in der Klosterordnung
von 1569 die Zeremonien nur allgemein geordnet waren. Die Äbte von Amelungsborn und
Ringelheim sollten daraufhin eine neue Ordnung für deutsche Gesänge aufstellen und den Theo-
logen zur Begutachtung vorlegen. Von einer derartigen Neuordnung ist bislang jedoch nichts
bekannt geworden; vielmehr forderten 1586 die Kirchenräte wiederum Grundsätze für eine
neue Klostergottesdienstordnung (vgl. Brenneke II). Noch 1693 beklagte sich Herzog Julius
darüber, daß viele Landsassen und Untertanen vom Adel ihre Söhne in papistischen Schulen
und Klöstern erziehen ließen, und verlangte, daß solche Fälle von den Spezialsuperintendenten
dem Konsitorium mitgeteilt würden (vgl. Arch. d. LKA Wolfenbüttel, Nr. 556, Abdruck bei
Koldewey, Schulordnungen S. 582 f., vgl. auch S. LXII).

1582 fand nochmals eine geistliche Visitation der Männerklöster statt (eine Veröffentli-
chung ihrer aufschlußreichen Protokolle, im Arch. d. LKA Wolfenbüttel. Nr. 613, ist wün-
schenswert; vgl. zu ihrem Inhalt Brenneke II).

Die Reformation von 1568 ist also in den Klöstern nicht überall sofort von durchschla-
gendem Erfolg gewesen. Vor allem hielten sich verschiedene Klosterpersonen, die sich der KO
nicht fügen wollten, außer Landes auf. Der Abt von Clus befand sich z. B. dauernd in Hildes-
heim (vgl. St. A. Wolfenbüttel, L Alt Abt. 11, Gr. 7, Kloster Clus, Nr. 4). Im Kloster Marien-
thal bei Helmstedt sollen sich bis 1585 noch katholische Zeremonien unter dem Abt Caspar
Schosgen erhalten haben (vgl. Kayser, Generalvisitation S. 98 Anm. 1). Dort wurde
von Herzog Julius wie in den andern Mannsklöstern 1569 eine Knabenschule eingerichtet (vgl.
über diese Klosterschulen eingehend Koldewey, Schulordnungen , S. LVIII ff.).

Das Benediktinerkloster St. Ludgeri bei Helmstedt war dem Einfluß der Herzöge gänz-
lich entzogen als Besitz der Abtei Werden an der Ruhr, dessen Abt stets als solcher auch St.
Ludgeri vorstand. Die Schmalkaldener hatten sich 1542 über diese Besitzverhältnisse hin-
weggesetzt (vgl. Kayser, Kirchenvisitationen,S. 26 ff.).

Auch aus den Frauenklöstern kam Widerstand gegen das Reformationswerk des Herzogs
Julius, vornehmlich in der Absicht, sich der herzoglichen Wirtschaftsführung zu entziehen (vgl.
für Kemnade und Brunshausen Brenneke II, für Kloster Marienberg vor Helmstedt St.

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