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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0029
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einzurichtenden „Kirchenkasten“ zu erweitern. Der entsprechende Abschnitt war aus der Würt-
temberger KO von 1559 nicht übernommen (vgl. Ritter, KO, S. 98, Abs. 1). Der Kirchen-
kasten sollte mit Hilfe freistehenden geistlichen Gutes und der Klostergüter gefüllt werden,
um bei unzureichender Pfarrbesoldung und in ähnlichen Notfällen herangezogen werden zu
können. Die vom Herzog vor Hof- und Landräten erklärten Generalartikel, die diese Bestim-
mung enthalten, vermerken zu ihr am Rande: „ist approbirt worden“ (vgl. Arch. d. LKA
Wolfenbüttel, Nr. 1611). Wieweit hiernach tatsächlich gehandelt wurde, ist noch nachzu-
prüfen.

Aus den Protokollen der Generalkonsistorien und sonstigen Akten geht hervor, daß sich
die Herzöge, wo sich nur irgend eine rechtliche Handhabe fand, die Patronatsrechte über geist-
liche Institute zuschreiben ließen. Beispielsweise überließ am 12. Mai 1569 der Abt zu Marien-
rode dem Herzog Julius das jus patronatus über die Pfarren zu Bockenem und Alfeld (vgl.
Protokoll des Konsistoriums, St. A. Hannover, Cal. Br. A. Des. 21 B IVa Nr. 4, auch Arch. d.
LKA Wolfenbüttel, Nr. 464. Im übrigen vgl. Martens, S. 184ff., 187ff.; seine Beispiele sind
allerdings ausschließlich aus dem calenbergischen Gebiet entnommen, für das wolfenbüttelsche
sind die Verhältnisse noch nicht genauer untersucht). Mehrfach erschienen Verordnungen, daß
Besetzung der Patronatspfarren ohne Vorwissen des Herzogs oder des Konsistoriums untersagt
wären, Examination der Kandidaten vor dem Konsistorium stattzufinden hätten, (so 1572,
vgl. St. A. Wolfenbüttel, Slg. Abt. 40, Nr. 524, 1581, vgl. ebda. Nr. 709). Schärfer ging Herzog
Heinrich Julius vor, als er 1597 den Patronatsherren und Pfarrlehns-lnhabern verbot, die
Pfarre gegen übermäßige Zahlung abzugeben. Wer zuwider handelte, sollte des Patronatsrech-
tes zugunsten des Konsistoriums verlustig gehen (vgl. ebda. Nr. 990).

Von Sittenzucht und Kirchendisziplin ist ausgiebig in der KO gehandelt worden, so daß bei
Anordnung genauester Befolgung derselben auch diese Fälle mit einbeschlossen waren, beispiels-
weise 1591 (24. Sept., vgl. Arch. d. LKA Wolfenbüttel, Nr. 384) und gleichlautend 1593 (6. Jan.,
vgl. Landesordnungen un d Gesetze T. 1, Nr. 2, S. 408 — 412). Das Mandat vom 3.
Jan. 1593 gegen Ehebruch, Hurerei und sonstige Unzucht (vgl. St. A. Wolfenbüttel, Slg. Abt.
40, Nr. 918, gedruckt Landesordnungen un d Gesetze T. II, Nr. 89) griff nur einen
Punkt aus den eben angeführten Ordnungen heraus und führte ihn noch weiter aus. Darüber-
hinaus befaßte man sich auch mit Ordnung der Zeremonien bei Taufen unehelicher Kinder
(8. Dez. 1591, vgl. St.A. Wolfenbüttel, Slg. Abt.40, Nr. 905). 1594 forderte man Einschränkung
des übermäßigen Aufwandes bei Kindtaufen und Hochzeiten (vgl. St. A.Wolfenbüttel, Slg.Abt.
40, Nr. 933 und 944).

Auch in ihrem engeren Bereich waren die Herzöge um das kirchliche Leben bemüht. In
seiner Kammerordnung von 1579 ordnete Herzog Julius den Dienst in der Hofkapelle gemäß
der KO und schrieb genau den Kirchgang nach Rang undWürden der Hofbeamten vor (vgl.St.A.
Wolfenbüttel, Slg. Abt. 40. Nr. 674 und 675). 1594 regelte Herzog Heinrich Julius den Dienst
von acht Singeknaben an der Schloßkirche zu Wolfenbüttel (vgl. Arch. d. LKA Wolfenbüttel,
Nr. 319).

Was das Klosterwesen im Wolfenbüttelschen unter Herzog Julius (vgl. Brenneke II)
anbetrifft, ist besonders bemerkenswert, daß die Männerklöster im Fürstentum Wolfenbüttel
im 16. Jh. auch nach der Reformation noch als geschlossene Körperschaft auftraten. Auf die
Äbte konnte der Herzog nur insoweit einwirken, als er ihnen Mitverwalter für die Wirtschafts-
führung zur Seite stellte, die er selbst unter seinen erprobten Dienern auswählte, und ohne die
die Äbte nichts Sonderliches unternehmen konnten. Immerhin gelang dem Herzog dadurch
eine nicht unerhebliche Einflußnahme auf das Klosterwesen nach der ökonomischen Seite hin.

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