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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0046
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Wolfenbüttel

hebben. Du schalt Godt liven van ganzem herten
etc. [Ex 20,3]. Thom andern scheldet se Lucas
also: Se vorachteden de andern [Luk 18,9]. Het
dat, synen negesten leven alse sick sülvest?
Also holden se ock van der andern tafele des
gesettes nicht enen bockstaff. Is dat nicht ein
jamerlick ding van sölcken vormeineden hilgen?
Unde Christus secht ock, dat de phariseyr uth
dem tempel wech ging unrechtverdich [Luk
18,14], dat is, em wörden syne sunden nicht ver-
geven. Wente yd gelt nicht vor Gade, up sick
sülvest unde up unse dohnt unde vormögent
vorlathen, sunder dat gelt allene, dat wy unse
sunde unde vordömenisse erkennen unde vor-
lathen uns up Gades gnade unde barmherticheit,
de wy gewisse in Christo vinden, so wy an en
gelöven alse de tölner, de tho Gade secht, Godt,
sy my sündere gnedich [Luk 18,13].

SYD BARMHERTICH] Darumme leret Christus
ock de Christen gude werke, Luc. 6 [27 ff.], dat
se wat gudes schölen dohn, alse de leven kin-
dere Gades, dat se gude früchte bringen, alse de
nu uth Gades gnaden in Christo gude böme sind
geworden. Wente de ungelövigen können nene
gude werke dohn, wen se ock so hillich weren,
alse de dar sede tho Gade: Ick bin nicht alse
de andern etc., alse gesecht is [Luk 18,11]. So
secht Christus: Syd barmhertich [Luk 6,36], dat
is, denet andern lüden unde livet se van herten.

LOHN UTH THOSAGE] Und wat yd sy, barm-
hertich syn, düdet Christus balde unde secht:
Richtet andere lüde nicht, vordömet nicht, gevet,
vorgevet [Luk 6,37]. Dat sind de rechten guden
werke, de Christo so wol gevallen, dat he uth
gnaden syne thosage daran henget unde secht,
dat he solcke werke wil belonen also. So werde
gy ock nicht gerichtet. So werde gy ock nicht
vordömet. So werd ju wedder gegeven. So werd
ju wedder vorgeven [Luk 6,37 f.].

FRYE CHRISTLIKE WERKE] Unde Christus
wil doch nicht, dat wy mit solcker barmherti-
cheit edder mit solcken werken söken schölen

unse gerechticheit vor Gade edder mynschliken
vordenst, gelick efft wy den hemmel darmede
könden vordenen. Wente he redet da mit den,
de erkennen, dat se alse de kindere Gades einen
Vader im hemmel hebben [Luk 6,35 f.], alse dar
de text klar is. Sölcke sind vorhen vor allen
guden werken ane allen vordenst (do se de helle
vordenet hadden mit eren sunden) from, recht-
verdich dörch de vorgevinge der sunden unde
kindere Gades geworden dörch den geloven an
Christum, Joh. 1 [12]. Darumme se jo in solcken
werken, van Gade gebaden, nicht söken de ge-
rechticheit vor Gade unde de reinicheit eres
herten unde dat ewige levent, welcks se alle
hebben in Christo Jhesu, welcken se mit dem
geloven hebben angenamen, Joh. 1 [12].

Dartho reizet unde thohardet 4a uns Christus
ock dar mit dem exempel unses hemmelschen
Vaders. Gelick (secht he) alse juwe hemmelsche
Vader barmhertich is [Luk 6,36], das is: Gy se-
hen, dat juwe hemmelsche Vader der ganzen
werlt alle gut deit unde begert nichts darvor,
wil ock nichts darmede vordenen. Wente he be-
darf nichtes und he deit solcks alle allene dar-
umme, dat he from , gerecht und gut is. Also
gy ock alse de leven kindere des hemmelschen
Vaders doht ander lüden vele gudes, mit wel-
cken früchten gy schölen bewysen, dat gy kin-
dere Gades unde gude böme sind dörch den
geloven an Christum geworden unde begeret
nichts darvor, söket nicht gerechticheit vor Gade
darmit. Vorlatet ju nicht up sölcke gude werke
alse de phariseyere, de sick vormethen unde
vorlathen up sick sülvest, gelick efft se recht-
verdich syn vor Gade, Luc. 18 [3], und maken
van eren guden werken böse werke unde aff-
göderye vor Gade. Hebben also frembde gödere
wedder dat erste gebot Gades. Wente dar wy
uns up vorlathen, dat is unse Godt, yd sy wat
yd wil. Wy schölen uns överst in unsen nöden
lyves unde der seelen nergend up vorlathen den
allene up Gades gnade unde barmherticheit in

4a thoharden = antreiben, vgl. Schiller u. Lüb-
ben, 4. Bd., S. 565.

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