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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0120
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Wolfenbüttel

Galat. 3 [2], Derhalben muß vorhin die person
durch Christum gerecht und Gott angenehm
werden, alßdann verneuert der heilige Geist
das herze, das es einen guten fursatz bekömpt
und in betrachtung der grossen güte und gnad
Gottes sich von herzen ergibt, demselbigen zu
dienen und gehorsam zu sein, Rom. 6 [17]. Wenn
nun im herzen also die verneuerung des heili-
gen Geistes angefangen ist, so soll das herz
nicht auß menschensatzungen oder eigener an-
dacht sonderliche gottesdienste erdenken, Colo.
2 [8; 23]; Matth. 15 [3 — 9]; Deuteron. 12 [29 —
31]; Ezech. 20 [16], sondern alßdann kömpt das
gesetz und weiset, was das für gute werk sein,
die Gott vor bereitet hat, das die seinen darin-
nen wandeln sollen, Ephes. 2 [10]; Ezeichiel. 20
[11 f.]; Deuteron. 12 [1]; Roman. 12 [1ff.]; Galat.
5 [22 f.]. Und weil das gesetz alßbald auch wei-
set, das solche auch der heiligen gute werke
in diesem leben schwach, unrein und unvoln-
komen sein, Psalm. 32 [6]; Roman. 7 [14 ff.], so
kömpt wiederumb das evangelion und lehret,
wie und warumb solche gute werk Gott gefel-
lig und angenehm sein, nemlich nicht darumb,
das sie rein und volnkomen sein, sondern durch
den glauben umb des Herrn Christi willen, weil
die person des gleubigen Gott versönet und an-
genehm ist. Solcher underscheid des gesetzes
und evangelii muß fleissig gehalten werden,
dann was für unrath in der kirchen darauß
entstehe, wenn gesetz und evangelium vermen-
get oder zu weit von einander gerissen oder ja
ihr rechter gebrauch verkeret wird, ist das
bapsthumb noch heut zu tage ein merklich exem-
pel, und derhalben muß das gestrafft werden,
das der bapst auß dem gesetz der werk gemacht
hat eine lehre, dardurch man vergebung der
sünde und ewiges leben erlangen möge, und
wiederumb auß dem evangelio gemacht ein
werklehr, item ein lehre, die da schrecken und
nicht trösten solle.

54 Vgl. zu folg. Satz: FC,SD V,15. Bek. Schr. S. 956 f.

55 Zur Literatur vgl. Bek. Schr. S. 951, Anm.
1. und 3.

56 Vgl. FC,SD V,17. Bek. Schr. S. 957; zur Litera-

tur: Bek. Schr. S. 951, Anm. 3.

Es 54 sollen auch die antinomi 55 oder gesetz-
stürmer in diesen kirchen nicht gedüldet wer-
den, welche die predigt des gesetzes auß der
kirchen wegwerfen und wöllen, das man die
sünde straffen, reu und leid leren solle nicht
auß dem gesetz, sondern auß dem evangelio,
under solchem schein, das man die gewissen
nicht so hart angreifen, noch so heftig schrecken
solle, wie das gesetz thut. Aber die schwermer
hat Lutherus 56 auß gewaltigem grunde der
schrift wiederlegt. Es ist auch das nicht wahr,
das etliche schwermen, wenn erkentniß der
sünden, reu und leid uber die sünde auß dem
gesetz geprediget wird, daß das sey ein judas-
busse und ewige verzweifelung, sondern das
ist wahr, wenn man es bey der predigt des
gesetzes alleine wolt bleiben lassen und nicht
alßbald auch die vergebung der sünden auf die
busse durch das evangelion fürtragen wolte,
so würde und wer es eine Judasche verzweif-
lung, also aber würde auch das gesetz nicht
recht geprediget, nam finis legis est Christus
ad iustitiam credenti, Ro. 10 [4], und Gott
beschleust durchs gesetz alles under die sünde,
auf das er sich aller erbarme und die ver-
heissung kome durch den glauben an Christum,
Rom. 11 [32]; Galat. 3 [22], et lex est paedagogus
ad Christum [Gal 3,24]. Es thun auch die un-
recht, die da den tertium usum legis verwer-
fen 57, als solte das gesetz den bekerten und
verneuerten darzu nicht dienstlich sein, das
es sie berichte, was sie zum neuen gehorsam
für gute werke thun sollen, wie diß droben
erkleret ist.

Es sollen die prediger auch gründlichen ver-
stand und bericht haben de usitata et generali
definitione evangelii, das sie nicht entweder
gezenk darüber erregen oder auß mißverstand
derselbigen den nötigen underscheid des ge-
setzes und evangelii confundieren. Das stehet
in apologia 58 etliche mahl, daß das evangelion

57 Zur Literatur vgl. FC,SD VI. Bek. Schr. S.

962, Anm. 3.

58 Apol. XII,31. Bek. Schr. S. 257; XXVII,54. Bek.

Schr. S. 393.

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