Kirchenordnung 1569
sey ein predigt von der busse und vergebung
der sünden, wie auch Lutherus in seinen schrif-
ten oft also redet. Aber die meinung hats in
keinen wege nicht, als were kein underscheid
under dem gesetz und evangelio, oder als solte
erkentniß der sünden, Gottes zorn, reu und
leid uber die sünde wieder Paulum gelehret
werden nicht auß dem gesetz, sondern auß dem
evangelio, sondern wie das wörtlin (gesetz) oft
fur die ganze lehre des götlichen worts, auch
des evangelii, gebraucht wird, Psal. 19 [8] und
119 [1; 18 usw.]; Jsa. 2 [3]; Roma. 8 [2], also wird
auch das wörtlin (evangelion) zuweilen in ge-
mein gebraucht fur die ganze summa des götli-
chen worts, Mar. 1 [15] und 16 [15]; Lu. 9 [6];
Act. 20 [24] 59. Und in dem verstand seind die
fürnemsten zwey heuptstück des evangelii in
genere busse und glauben oder vergebung der
sünden, Lu. 24 [47]; Actor. 20 [21],
Item weil das evangelion prediget vergebung
der sünden nicht den rohen, sicheren herzen,
sonder denen, die da busse thun, und weil die
lehre des evangelii muß darzu komen, auf das
auß der rheu nicht ein verzweifelunge werde,
sondern das es möge sein ein busse zur selig-
keit, 2. Corinth. 7 [10], auf die meinung ist recht
gesagt, daß das evangelion sey ein predigt der
busse und vergebung der sünden, wie Lutherus
diß handelt in prima disputatione contra anti-
nomos 60. Und in articulis schmalcaldicis 61
spricht er: Das neue testament behelt und trei-
bet das ampt des gesetzes, das die sünde offen-
baret, aber zu solchem ampt thut es fluchs die
verheissung der gnaden durchs evangelion. Item
apologia in articulo iustificationis 62: In prae-
dicatione poenitentiae non sufficit praedicatio
legis, sed oportet addi praedicationem evangelii,
zur predigt der busse ist nicht gnug die pre-
digt des gesetzes, sondern es muß darzu gethan
59 Vgl. FC,SD V, 3 — 6. Bek. Schr. S. 952 f. — Vgl.
hierzu H. W. Gensichen, a. a. O. S. 103.
60 1537. WA 39 I, 416.
61 Von der Buße, 1. u. 4. Bek. Schr. S. 436 f.
62 IV, 136. Bek. Schr. S. 210.
werden die predigt des evangelii. Also erkleret
das evangelion viel stück in der lehre von der
busse, so auß dem gesetz geprediget wird, als
wie Lutherus schreibt in 3. caput ad Galat. 63:
Officium et usus legis est, non solum osten-
dere peccatum et iram Dei, sed etiam compel-
lere ad Christum. Hunc usum legis solus Spiri-
tus sanctus quaerit, et evangelium ostendit, quia
solum evangelium dicit, Deum adesse contritis
corde. Das ampt und der gebrauch des gesetzes
ist nicht allein, das es die sünde und Gottes zorn
offenbare, sondern auch, das es die sünder zu
Christo treibe. Aber diesen brauch des gesetzes
sucht allein der heilig Geist, und das evangelion
zeiget denselbigen, dann allein das evangelion
lehret, das Gott in gnaden bey denen sey, die
zerschlagens herzens sein. Idem inquit in 4. cap.
ad Galatas 64: Lex dicit, qui fecerit haec, vivet
in eis, sed evangelium dicit, tu ista non facis,
ergo per ea non vives etc. Et quomodo evange-
lium illustret doctrinam de bonis operibus, supra
dictum est, item, das gesetz sagt, wer das thut,
der wird darin leben. Aber das evangelion sagt,
du thust es nicht, darumb wirstu dadurch nicht
leben. Und wie das evangelion die lehre von
guten werken erklere, das ist droben angezeigt.
Wenn man aber in specie und proprie redet,
wie das gesetz und evangelion underscheiden
werden, was eines jeden eigen ampt und werk
sey, so muß das bleiben und erhalten werden,
wie die apologia redet in loco de poenitentia:
Lex est verbum, quod arguit et condemnat pec-
cata 65. Item verbum quod arguit tantum pec-
cata, doctrina legis est, non evangelii 66. Et
paulo post 67: Haec sunt duo praecipua opera
Dei in hominibus, perterrefacere et iustificare,
ac vivificare perterrefactos. In haec duo opera
distributa est universa scriptura. Altera pars
est lex, quae ostendit, arguit et condemnat pec-
63 Comm. in ep. S. Pauli ad Galatas. 1535. Zu 3,
19. WA 40 I, S. 490.
64 Zu 4, 8, 9, WA 40 I, S. 606.
65 XII,48. Bek. Schr. S. 260.
66 XII,34. Bek. Schr. S. 258.
67 XII,53. Bek. Schr. S. 261.
101
sey ein predigt von der busse und vergebung
der sünden, wie auch Lutherus in seinen schrif-
ten oft also redet. Aber die meinung hats in
keinen wege nicht, als were kein underscheid
under dem gesetz und evangelio, oder als solte
erkentniß der sünden, Gottes zorn, reu und
leid uber die sünde wieder Paulum gelehret
werden nicht auß dem gesetz, sondern auß dem
evangelio, sondern wie das wörtlin (gesetz) oft
fur die ganze lehre des götlichen worts, auch
des evangelii, gebraucht wird, Psal. 19 [8] und
119 [1; 18 usw.]; Jsa. 2 [3]; Roma. 8 [2], also wird
auch das wörtlin (evangelion) zuweilen in ge-
mein gebraucht fur die ganze summa des götli-
chen worts, Mar. 1 [15] und 16 [15]; Lu. 9 [6];
Act. 20 [24] 59. Und in dem verstand seind die
fürnemsten zwey heuptstück des evangelii in
genere busse und glauben oder vergebung der
sünden, Lu. 24 [47]; Actor. 20 [21],
Item weil das evangelion prediget vergebung
der sünden nicht den rohen, sicheren herzen,
sonder denen, die da busse thun, und weil die
lehre des evangelii muß darzu komen, auf das
auß der rheu nicht ein verzweifelunge werde,
sondern das es möge sein ein busse zur selig-
keit, 2. Corinth. 7 [10], auf die meinung ist recht
gesagt, daß das evangelion sey ein predigt der
busse und vergebung der sünden, wie Lutherus
diß handelt in prima disputatione contra anti-
nomos 60. Und in articulis schmalcaldicis 61
spricht er: Das neue testament behelt und trei-
bet das ampt des gesetzes, das die sünde offen-
baret, aber zu solchem ampt thut es fluchs die
verheissung der gnaden durchs evangelion. Item
apologia in articulo iustificationis 62: In prae-
dicatione poenitentiae non sufficit praedicatio
legis, sed oportet addi praedicationem evangelii,
zur predigt der busse ist nicht gnug die pre-
digt des gesetzes, sondern es muß darzu gethan
59 Vgl. FC,SD V, 3 — 6. Bek. Schr. S. 952 f. — Vgl.
hierzu H. W. Gensichen, a. a. O. S. 103.
60 1537. WA 39 I, 416.
61 Von der Buße, 1. u. 4. Bek. Schr. S. 436 f.
62 IV, 136. Bek. Schr. S. 210.
werden die predigt des evangelii. Also erkleret
das evangelion viel stück in der lehre von der
busse, so auß dem gesetz geprediget wird, als
wie Lutherus schreibt in 3. caput ad Galat. 63:
Officium et usus legis est, non solum osten-
dere peccatum et iram Dei, sed etiam compel-
lere ad Christum. Hunc usum legis solus Spiri-
tus sanctus quaerit, et evangelium ostendit, quia
solum evangelium dicit, Deum adesse contritis
corde. Das ampt und der gebrauch des gesetzes
ist nicht allein, das es die sünde und Gottes zorn
offenbare, sondern auch, das es die sünder zu
Christo treibe. Aber diesen brauch des gesetzes
sucht allein der heilig Geist, und das evangelion
zeiget denselbigen, dann allein das evangelion
lehret, das Gott in gnaden bey denen sey, die
zerschlagens herzens sein. Idem inquit in 4. cap.
ad Galatas 64: Lex dicit, qui fecerit haec, vivet
in eis, sed evangelium dicit, tu ista non facis,
ergo per ea non vives etc. Et quomodo evange-
lium illustret doctrinam de bonis operibus, supra
dictum est, item, das gesetz sagt, wer das thut,
der wird darin leben. Aber das evangelion sagt,
du thust es nicht, darumb wirstu dadurch nicht
leben. Und wie das evangelion die lehre von
guten werken erklere, das ist droben angezeigt.
Wenn man aber in specie und proprie redet,
wie das gesetz und evangelion underscheiden
werden, was eines jeden eigen ampt und werk
sey, so muß das bleiben und erhalten werden,
wie die apologia redet in loco de poenitentia:
Lex est verbum, quod arguit et condemnat pec-
cata 65. Item verbum quod arguit tantum pec-
cata, doctrina legis est, non evangelii 66. Et
paulo post 67: Haec sunt duo praecipua opera
Dei in hominibus, perterrefacere et iustificare,
ac vivificare perterrefactos. In haec duo opera
distributa est universa scriptura. Altera pars
est lex, quae ostendit, arguit et condemnat pec-
63 Comm. in ep. S. Pauli ad Galatas. 1535. Zu 3,
19. WA 40 I, S. 490.
64 Zu 4, 8, 9, WA 40 I, S. 606.
65 XII,48. Bek. Schr. S. 260.
66 XII,34. Bek. Schr. S. 258.
67 XII,53. Bek. Schr. S. 261.
101