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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0128
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Wolfenbüttel

Es ist auch das ein schedlicher irthumb und
gar ein listiger griff, das im concilio tridentino 91
und im interim 92 gesetzt wird, Christus habe
woll die gerechtigkeit und seligkeit verdienet
und dieselbige werde woll durch den glauben
angenommen, aber dieselbige gerechtigkeit stehe
nicht allein in der versönung oder gnedigen
vergebung der sünden umb Christus willen, son-
dern auch zugleich in der heiligung und verneu-
rung des menschen, welche sey inhaerens forma
nostrae iustificationis 93. Nun ist das extra con-
troversiam wahr, das die heiligung auch sey
ein wolthat und verdienst Christi und das die,
so umb Christus willen durch vergebung der
sünden mit Gott versönet worden, auch zugleich
durch den heiligen Geist geheiliget und ver-
neuert werden. Aber weil unsere novitas in
diesem leben von wegen der sünde im fleisch
nicht volnkomen noch ganz rein ist, auf das die
betrübten gewissen möchten einen bestendigen,
gewissen trost haben und das dem verdienste
und ampte Christi seine ehre müge gegeben wer-
den, so menget die schrift unsere novitatem
nicht mit ein in den artickel unser rechtferti-
gung, sondern setzet dieselbige allein darin,
das wir auß gnaden umb Christus willen durch
den glauben mit Gott versönet, vergebung der
sünden, einen gnedigen Gott und die erbschaft
des ewigen lebens haben, wie solches auß gu-
tem, klaren, bestendigen grunde der schrift in
der apologia 94 erweiset wird. Derhalben sollen
diese rede und diese lehre in diesen kirchen

91 Sess. VI,7. Denzinger 799.

92 Augsb. Interim, Abschn. VI. Von der Weise,
durch welche der Mensch die Rechtfertigung
bekomt, bei Bieck, a. a. O. S. 284 f.: „Und wer
sich also durch einen solchen Glauben auf
die Barmhertzigkeit GOttes, und den Ver-
dienst CHristi steuret, und befiehlet sich dar-
ein, der emphähet die Verheissung des heili-
gen Geistes, und wird also gerechtfertiget
durch den Glauben an GOtt, nach der Schrifft,
also daß ihme nicht allein die Sünden ver-
geben werden, sondern derselbige wird auch
geheiliget und verneuert durch den heiligen
Geist: Dann dieser Glaube erlangt die Gabe
des heiligen Geists, durch welche die Liebe
GOttes außgegossen wird in unsere Hertzen,

nicht geführet werden 95, das die gerechtigkeit
des glaubens für Gott diese zwey theil habe
oder in diesen zweyen stucken stehe, in ver-
gebung der sünden und in der angefangenen
erneuerung, gleich wie auch das nicht recht ist,
wie etliche reden, das wir für Gott gerecht und
angenehme sein imputatione et inchoatione 96,
das ist darumb, das uns der gehorsam und das
verdienst Christi zugerechnet wird und darnach
zugleich auch darumb, das der neu gehorsam in
uns angefangen ist. Dann die summa der reinen
lehre und der heilsamen wort ist diese, das wir
für Gott gerecht und selig werden allein auß
gnaden umb des gehorsams und todts Christi
willen durch den glauben ohne zuthun unser
neuerung, gehorsams oder gutten werken. Die-
selbigen folgen gewißlich, aber sie gehören nicht
in den artickel, wie und wodurch man für Gott
gerecht und selig wird. Und eben darumb ist
auch die wesentliche gerechtigkeit Gottes, wel-
che die gleubigen treibet, recht zu thun, nicht
unsere gerechtigkeit für Gott zum ewigem leben,
also, das umb derselbigen willen uns die sünde
vergeben und wir zu gnaden Gottes aufgenomen
werden und ewig leben sollen.

Derhalben wenn die lehre in diesem artickel
von aller irrung geleutert und wieder alle ver-
felschung lauter und rein durch Gottes gnaden
erhalten soll werden, so muß man dem methodo
Pauli folgen, das die particulae exclusivae mit
allem fleiß und ernst bey diesem artickel ge-
trieben werden, primo in merito, secundo in

welche, so sie zum Glauben und der Hoff-
nung kommet, werden wir alsdann durch
die eingegebene Gerechtigkeit, die im Men-
schen ist, wahrhafftiglich gerechtfertiget,
dann diese Gerechtigkeit besteht durch den
Glauben, die Hoffnung und die Liebe: Also
wo man diese Gerechtigkeit der Stück eines
wolte entziehen, so würde sie gestümmelt
und mangelhafft seyn.“

93 Vgl. Trident. Sess. VI,7. Denzinger 800; Sess.
VI,16. Denzinger 809.

94 IV. Bek. Schr. S. 158 ff.

95 Vgl. Anm. 91 u. 92, hierzu auch P. Diekamp,
a. a. O. S. 496. 499 ff.

96 Vgl. FC, SD 111,50. Bek. Schr. S. 931.

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