Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0141
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kirchenordnung 1569

nicht allein narrative oder recitative gehandelt,
sondern die leute sollen vermahnet werden,
das sie dieselbige durch den glauben ergreifen
und annehmen sollen. Und wer also die ver-
heissung des evangelii, so in gemein wird für-
getragen und angebotten, durch den glauben in
sein herz fasset und also zu sich nimpt, der
soll wissen und nicht zweifeln, das ihm
dardurch der liebe Gott warhaftig und gewiß-
lich reiche, schenke und zueigne, was die ver-
heissung fürtraget und anbeut. Daher ein alter,
guter, nutzer brauch komen ist, das die predig-
ten beschlossen werden mit einer gemeinen
beicht und gemeinen absolution, dadurch ange-
zeiget wird, das die zuhörer die lehr, so in der
predigt auß Gottes wort fürgetragen wird, nicht
sollen in gemein hin hengen lassen, sondern de
applicatione gedenken zur buß, zum glauben,
zur besserung, wie von solcher gemeinen abso-
lution hernach soll gesagt werden.

Es kan aber ein armes gewissen seinen schwa-
chen glauben auß der gemeinen predigt oft
nicht gnugsam sterken; denn es gleubt woll,
das Gottes verheissung wahr sey und allen
gleubigen gegeben werde, aber davon disputieret
es: Wer weiß, ob der liebe Gott dir armen,
grossen, unwirdigen sünder solche hohe, him-
lische schetze und güter auch geben wölle; du
wündschest, begerest, gleubest, trauest ja woll,
aber wer weiß, was Gott im himel gedenkt und
von deiner person beschlossen habe etc.

Hie hat nun der Sohn Gottes, den schwachen
glanben zu sterken und die arme gewissen zu
trösten, nicht allein in gemein das evangelium
geprediget, sondern auch privatim und inson-
derheit armen gewissen vergefbung ihrer sünde
verkündiget, Matth. 9 [6] dem gichtbrüchigen,
Lu. 7 [48] der offenbaren sünderin, Lu. 19 [10]
dem Zacheo, Lu. 23 [43] dem mörder am kreuze;
und do die phariseer allein die gemeine annunci-
ationem haben wolten, aber die privatam abso-
lutionem für gotteslesterung schalten, Matth. 9
[3]; Lu. 7 [39], vertheidiget der Herr Christus
dieselbige und bestettigts mit wunderwerken,
das ihm die macht gegeben sey, vergebung der
sünden nicht allein in gemein zu verkündigen,

sondern auch dieselbige einem jedem gleubi-
gem, der es sucht und begeret, insonderheit zu
reichen, zueignen und versichern mit der ver-
tröstung: Sey getrost, mein sohn, deine sünde
seind dir vergeben, Matth. 9 [2]. Gehe hin im
frieden, dein glaube hat dir geholfen, Lu. 7 [50].
— Solche gewalt aber hat der Sohn Gottes nicht
allein gebraucht, do er persönlich ohn mittel
auf erden vergebung der sünden geprediget hat,
sondern hat dieselbige schlüssel des himelreichs
verheissen und gegeben seinen aposteln und
allen, so sein wort lauter und rein führen:
Quicquid solveritis in terra, etc., Matth. 16 [19]
et 18 [18]. Quorumcumque remiseritis etc. Iohan.
20 [23]. — Nicht aber also, das einig mensch
für sein person macht habe, für Gott sünde zu
vergeben; denn das gehöret allein Gott, Jsai. 43
[25],und die macht ist allein des menschen Sohne
gegeben, Matth. 9 [6], sondern das Christus sol-
che seine macht, sünde zu vergeben, jetzund
alhie auf erden brauchen und erzeigen will
durch das mittel des ministerii, ja, so gewiß
und warhaftig als Matth. 9 [6]; Luc. 7 [50];
denn er ist selbs dabey, wie er verheissen hat
Matth. 28 [20], und will dardurch mit seinem
Geist kreftig sein, wie er darumb saget Johan.
20 [22 f.]: Accipite Spiritum sanctum, quorum
remiseritis etc. — Derhalben muß man in der
absolution nicht sehen auf des dieners person,
sondern auf diesen grund, das der Sohne Got-
tes, selbs do gegenwertig, durch seinen diener
dir vergebung deiner sünde reichen, zueignen,
vergwissen und versichern will, das es heis-
sen soll: Was also auf erden gelöset wird, soll
auch im himel loß und vergeben sein, Matt. 16
[19]; 18 [18]; Johan. 20 [23],

Auß diesem warhaftigen grunde ist klar zu
vernemen, was wir in der absolution für her-
lichen, schönen trost haben, nemlich, das ich
weiß, wo ich hie auf erden meinen lieben erlöser
und heiland Jhesum Christum finden und antref-
fen kan, do er durch sein wort mit meiner armen
person insonderheit handeln möge und mir für
meine person vergebung meiner sünden reichen,
schenken, zueignen, vergwissen und versichern,
das ich nicht darf im zweifel stehen, was Gott

15

121
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften