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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0255
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Kirchenordnung 1569

demnach solches epitome ausser den Rhetoricis
Philippi gebrau'cht und für die hand genomen
und ein praeceptum oder zwey deutlich und
wol expliciert und den negsten tag hernach zu
dieser stund, ehe man wieder list, repetiert und
memoriter recitiert werden. Und dieweil die
praecepta für sich selbs bloß seind und keinen
nutz schaffen, wo sie nicht exemplis illustriert
werden, und aber die knaben den usum auch
sehen mögen, sol auf ein jeden statum oder
genus causae ein oratio Ciceronis oder Livii,
wie in gemelten Quaestionibus Georgii Maioris
sie getruckt, gelesen werden, dann der praecep-
tor vleissig das argumentum, die partes orati-
onis, den statum, die argumenta confirmationis,
darnach in singulis partibus orationis, wie sie
orniert und tractiert werden, anzeigen. Und
sol der praeceptor erstlich auf die inventionem,
nachmals dispositionem und letzlich elocuti-
onem acht haben und also die praecepta auf
gehörte weiß demonstrieren.

Die erste und andere stund nach mittag
von zwölf biss auf ein und zwey uhr in
prima classe.

Nachdem das exercitium musicae verricht,
sol der praeceptor dieses classis den grössern
Syntaxim Philippi Melanthonis 56 ördentlich für-
nehmen und ein regel oder zwo mit den exem-
plis wol explicieren und den knaben anzeigen,
das man solche schöne formulas loquendi in
reden und schreiben imitieren solle, auch all-
wegen, wie vor oft gemelt, den negsten tag die
vorgehenden lection repetieren, ehe man wieder
ließt.

Aber von ein biß zwey uhr sollen die libri
Aeneidos Virgilii und Officia Ciceronis, ein buch

56 CR XX,337 ff. — Die Syntax, die seit 1532
meist mit der Grammatik zusammen erschien,
wurde zuerst auch für sich gedruckt. Erst-
ausgabe: 1526. Vgl. dazu CR XX, 227 ff.; Hart-
felder, a. a. O. S. 275.

57 Die zweite Ausgabe der griech. Grammatik
Melanchthons von 1520 hatte den Titel „Inte-
grae Graecae Grammatices Institutiones“. Sie
wurde danach noch öfter aufgelegt. Die spä-
teren Ausgaben der Grammatik sind nur

umb das ander, gelesen, auch alternis diebus
repetiert und ein grammaticum exercitium dar-
auß gehalten werden.

Die letzte stund von drey biß vier uhrn in
prima classe.

In dieser stund sol allwegen alternis diebus
Integra grammatica graeca 57 und ein lection ex
Fabulis graecis Aesopi, ex Isocrate Ad Demoni-
cum 58 oder Paedia Xenophontis oder Hesiodo
nach gelegenheit der auditorum gelesen und
repetiert werden und hierin der praeceptor auf
das vleissigst die themata 59 den knaben an-
zeigen und sie selbs formieren lassen, auch sie
darzu halten, das sie es vleissig colligieren und
aufschreiben.

Exercitium styli.

Es sollen auch in dieser classe die deutsche
argumenta lenger und scherfer gestelt werden,
doch das sie in periodos eingeschlossen sein,
damit die jungen der composition gewohnen.
Und dieweil man in dieser classe principia
dialecticae und rhetoricae lieset, sollen die argu-
menta nicht alle auf eine weise gerichtet, sonder
etwan ein epistola, zun zeiten ein exordium,
narratio, locus communis, confirmatio, peroratio,
descriptio alicuius rei, tractatio fabulae oder
dergleichen progymnasmata fürgegeben und die
adolescentes also abgericht werden, das ihnen
nachmals, ganze declamationes zu schreiben,
nicht zu schwer sey.

Da muß man nicht sehen, wie lang, sonder
wie gut die scripta sein und das sie auf die
phrases und imitationem Ciceronis gerichtet
werden, sonst coacerniren die knaben allein
viel sententias auß andern scriptoribus ohne

„Grammatica Graeca ...” benannt. Jedoch
wird Melanchthons Grammatik auch allge-
mein als „Grammatica graeca integra“ be-
zeichnet, vgl. CR XX,15 ff., wo die letzte Aus-
gabe von 1542 abgedruckt ist.

58 Rede mit Anweisungen für das tägliche Le-
ben, Isokrates zu IJnrecht zugeschrieben, vgl.
Pauly-Wissowa, Realenc. IX 2, 2195 ff.

59 Wortformen.

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