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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0283
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Kirchenordnung 1569

Zum andern, von ungewissen zufelligen ein-
kommen sol man erstlich auf alle fest und
Sontag in der kirchen vor oder nach der predigt,
wie es an jedem ort am gelegensten sein kan,
mit dem secklin das almusen samlen.

Es sol auch vor jeglicher kirchthür ein er-
barer man mit einer tafel oder schüssel, das
almusen zu empfahen, stehen und warten, auf
das von denjenigen, welche ihr almusen dahin
gelegener dann in das secklin zu geben, das-
selbe entfangen und menniglich zu hülf der
armen deste mehr angereizet werde.

Item es sollen etliche verordnet werden, die
auf Sontag und Mitwochen durch alle gassen
gehen, das almusen zu empfangen und zu sam-
len, deren jeglicher tragen sol in der hand
eine beschlossene büchsse, das gelt darin zu
empfangen, und auf den rücken einen korb
oder botten, das brodt oder anders darin zu
samlen und mit der andern hand eine glocken
oder schellen, damit menniglich vermanet sey,
das almusen zu reichen. Und was die also
samlen, an gelt, brodt oder anderm, das alles
sollen sie von stund an den geordenten pflegern
zu underhaltung des obgemelten almusens uber-
antworten.

Und damit nicht allein die bürger und ein-
wöhner, sonder auch die frembden geste ihre
hiilf und handreichung zu underhaltung solches
almusens thun mögen, so sol in oder vor der
kirchen ein stock aufgerichtet und gesetzt wer-
den mit angehenkter tafel, dero gemehl 90b zur
handreichung einen jeglichen vermanen möge,
auch in alle wirtsheuser eine beschlossene
büchssen bey der wand des obern tischs an-
gehenkt, darzu ein bedeutung zu reichung des
heiligen almusens gemahlet und den wirten
sonderlich befohlen werden, ihre geste zur steur
und handreichung getreulich zu vermanen. Die-
selbige büchssen und schlüssel sollen die ge-
ordente in den fürnemsten stetten alle Sonn-
abend und in den andern stetten und flecken

95b = Gemälde, Fischer, a. a. O. III, S. 313 f.

alle monat nach jeder statt und flecken gelegen-
heit gegen abend aufthun und das gelt den
pflegern uberantworten und die wiederumb zu-
schliessen.

Es sollen auch zur zeit der ernte die pfarrer
ihre zuhörer vleissig vermahnen, das sie von
dem empfangenen segen Gottes den armen eine
reichliche handreichung thun wöllen.

Item auf den hochzeiten, in der kirchen, wenn
man die ehe eingesegnet hat, sol von dem
kastenpfleger oder custos ein becken in der
kirchen aufgesetzt und die hochzeitleut, den
armen etwas zu steur, durch den kirchendiener,
so die hochzeit eingesegnet, vermant und das-
seibig von einem kastenpfleger empfangen,
underschiedlich gemerket und verrechnet werden.

Desgleichen wenn man mit der leichpredigt
oder in andere weg bey der kirchen versamb-
lung helt, sol allwegen die versamblung, den
armen in das becken zu geben, vermanet werden.

Item es sollen auch unsere gerichtspersonen
und stattschreiber, vor welchen testamenta auf-
gericht, desgleichen die pfarherrn und diacon
die testierende kranken und sterbenden, so
solches wol vermögen und nicht sonderliche
leibs oder angeborne arme erben haben, zu
einem testament und milter handreichung in
der armen kasten mit höchstem vleiß vermanen.

Item der lohn von dem geleut der glocken,
so den abgestorbenen nach geschicht.

Item das von den geltstraffen oder bröken 95c
in der armen kasten auch etwas gegeben werde.

Item wo etwann in stetten oder flecken am
almusen zu underhaltung der nottürftigen zer-
rinnen würde, sollen die pfleger der armen die
reichen, so eines guten vermögen sein, insonder-
heit ansprechen und ersuchen.

Item das man zu wolfeilen zeiten, wa müssig
gelt vorhanden were, frucht und anders zu
einem vorrath der armen aufkeufen.

Wo auch kasten und spittal nicht zusamen-
gezogen möchten werden, sondern also ge-

95c = Geldstrafe für Gesetzesbruch, vgl. Schiller
u. Lübben I, S. 429 f.

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