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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0320
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Wolfenbüttel

ihren nöten anruffen und nach den zehen ge-
boten Gottes ihr ganzes leben mit gedanken,
worten und werken anrichten, werden in dem
namen Gottes des Vaters, Sons und heiligen
Geistes zu vergebung der sünden getauft und
durch den heiligen Geist widergeboren, emp-
fahen das hochwirdige sacrament des leibes
und bluts Christi nach seiner stiftung und ge-
brauchen einerley absolution, die zumal alle
allein im namen und auf den einigen verdienst
Jhesu Christi absolviert, das ist, von ihren sün-
den ledig und los gesprochen werden. Hie hat
der prediger keinen vorteil vor der oberkeit,
noch die oberkeit vor den eheleuten, es ist ihnen
allen ein weg fürgeschrieben, den mtissen gehen
und nicht daraus schreiten alle, die da selig
werden wollen.

Hier ist nichts neues 80, das vor zehen, zwan-
zig, funfzig oder weniger jaren erst durch men-
schen erdacht worden, sondern es ist alles alt
und hat zum theil gleich mit der welt ihren
anfang. Die zehen gebot sind uber die vierd-
halb tausent jar alt, unser catholischer, christ-
licher glaube ist uber die sechsthaib tausent
jar alt, den Adam und Eva im paradis gehabt,
wie droben angezeigt worden. Unser Vater
unser, das Christus selbst geleret, ist mehr
denn funfzehenhundert jar alt, desgleichen
die heilige taufe, das heilige abendmal, die
heilige absolution, von Christo verordnet und
eingesetzt, sind mehr denn funfzehenhundert jar
alt. Und wer sich zu diesen stücken helt und
sich dabey finden lesst, der ist versichert und
vergewisset, jdas er kein neuen, sondern den uhr-
alten catholischen, apostolischen, christlichen
glauben habe, darinnen er ungezweifelt auch
selig wird.

Es ist ein allgemeiner glaube 81, ein allgemein
Vater unser, allgemeine zehen gebot, allgemeine
taufe, allgemein sacrament des leibes und bluts

80 a. R.: Die sechs heuptstück christlicher lehr
sind nicht neu.

81 a. R.: Unser religion ist nicht eine verdampte
sekt, sondern ein allgemeine christliche
religion.

Jhesu Christi, eine allgemeine absolution für
alle reuende und gleubige sünder, einem stand
wie dem andern. Hie hat kein stand vor dem
andern vorteil oder nachteil, sondern ist, wie
S. Petrus zum Cornelio saget [Act. 10, 34 f.]: Ich
erfare mit der warheit, das Gott die person
nicht ansihet, sondern in allerley volk, wer ihn
fürchtet und recht thut, der ist ihm angeneme.

Derhalben sollen die klosterjungfrauen nicht
gedenken, das unsers gnedigen fürsten und herrn
wille und meinung sey, sie von dem alten,
catholischen, apostolischen, christlichen glauben
auf einen neuen glauben oder verdampte sekt
und ketzerey 82 zu füren, denn darvor wolle
beide, S. F. G., derselben unterthanen und alle
frome Christen der allmechtige Gott und Vater
unsers Herrn Jhesu Christi gnediglich und veter-
lich behüten, sondern vielmehr S. F. G. christ-
lich vornemen ist dis, das alle klosterjungfrauen,
wie auch alle derselben getreuen und lieben
unterthanen, bey dem allgemeinen catholischen
und apostolischen, christlichen glauben standhaft
und bestendig bis an ihr end beharren und dar-
innen ihr leben seliglich beschliessen mügen.

Möcht aber jemand sagen, was meint denn
S. F. G. mit dieser angestelten visitation 83 ?
Oder warumb lesst man es nicht bleiben, wie
bis daher gegleubet, gelebet und Gott gedienet
worden? Denn viel werden beredet, das man
sie erst einen neuen glauben oder gottesdienst
leren wolle, den sie nicht gelernet haben und
sich auch darin nicht wissen zu schicken.

Nun wissen S. F. G. wol und ist derselben
keinesweges verborgen, das dergleichen reden
ausgebreitet und zweifelsohn den klosterjimg-
frauen auch fürkomen, welche einem fromen
herzen nicht unbillich allerley nachdenken
machen sollen.

Damit nim nicht allein die klosterjungfrauen,
sondern auch meniglich, was hochermeltes herzog

82 a. R.: Indiesem fürstenthumb keine verdampte
ketzerey angerichtet worden.

83 a. R.: Was in der visitation der klöster und
kirchen des herzogthumbs Brunschwig gesucht
und gehandelt worden.

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