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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0352
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Wolfenbüttel

des Herrn sein und wöls zum brandopfer opfern.
Da er nun gen Mitzpa zu seinem haus kompt,
sihe, da gehet sein tochter heraus. Hie ist die
frage, ob Jephtah schuldig gewesen sey, seine
tochter zu opfern? Antwort: Nein. Denn Gott
hat verboten, ihm ein opfer von unschüldigen
menschen blut zu thun und bezeuget, das solche
opfer nicht ihm, sondern dem teufel geschehen
[Pal. 106, 37]. Drumb wenn Jephtah seine toch-
ter geopfert hat (daran doch noch viel zwei-
feln), so hat er unrecht gethan.

Also lesen wir [1. Sam. 14, 24—45], das der
könig Saul ein unbedacht gelübde gethan, und
als sein son Jonathan unwissend zu aufenthal-
tung seines lebens dawider gehandelt und Saul
ihn tödten wöllen, hat ihn das volk Israel mit
gewalt aus der hand seines vaters erlöset und
recht daran gethan. Solcher gestalt ist auch
Herodes nicht schuldig gewesen, umb seines eids
willen, so er Herodias tochter gethan, Johanni
dem teufer das heupt zu nemen.

Derhalben ist es fürnemlich daran gelegen,
so viel die gelübde 85 der klosterjungfrauen be-
langet, das man eigentlich und mit gebürenden
unterscheid wisse, was sie gelobt und verheissen
haben.

Denn so viel den gehorsam gegen Gottes gebot,
auch keuscheit und willige armut belanget,
haben sie diese stück alle in der tauf ver-
sprochen und sind sie alle die tage ihres lebens
zu halten verbunden, nemlich, das sie allen
denen, so ihnen zur oberkeit fürgesetzt werden,
in allem dem, das nicht wider Gott ist, ge-
horsam sein, keusch und züchtig leben und zu
aller zeit vor lieb und gut nemen und sich
genügen lassen, was ihnen zur notturft und
aufenthaltung ihres leibes gegeben wird. Diese
stück sind sie zu halten schuldig und kan sie
kein bapst, kein bisschoff, kein priester noch
kapian davon absolvieren.

85 a. R.: Welcher gestalt die klosterjungfrauen
ihr gelübd zu halten verbunden.

86 a. R.: Gott rhet niemand, ewige jungfrau-
schaft zu loben, denn sie ist eine gabe Gottes,
die nicht in des menschen freien willen stehet.

Do man aber solche gelübde weiter strecken
und wider das ausgedrückte wort Gottes an-
ziehen wolt, hie ist eine gewisse unfehlbare
regel, nemlich das Gottes wort allen gelübden
vorgehe und wider dasselbige den menschen
nicht binden.

Als wenn eine jungfrau von ihren eltern in
der kindheit in das kloster gestossen oder auch
mit freiem guten willen ungezwungen und un-
genötiget darein gegangen, und da es seine 14.,
15. oder mehr jar erreichet, gelobet und ver-
heissen hat, ewige jungfrauschaft bis in den tod
zu halten und nicht zu freien, befindet aber
nachmals, das sie die gabe von Gott nicht
hat, nicht allein am leibe, sondern auch im geist
rein zu bleiben, sondern sihet, das sie zum ehe-
stand erschaffen und verordnet, hie ist die
frag, ob eine solche jungfrau wider Gott und
ihr gewissen handle, wenn sie freiete? Die ant-
wort ist in Gottes wort klar. Sie hat ein gelübde
gethan und Gott zuvor darumb nicht gefraget,
welcher durch den heiligen apostel Paulum aus-
drücklich seinen willen erkleret 86, nemlich, das
ihm niemand diesen strick an den hals werfen
soll [1. K 7, 35], sondern allein das leret, es
möge ihm wol ein mensch steif fürnemen, also
zu bleiben, darneben aber diese freyheit ihm
behalten, das er nicht mit dem stück verbunden
sey und ausdrücklich gesetzt [1. Cor. 7, 2. 9]:
Hurerey zu vermeiden, so habe ein jede ihren
eignen man. Und abermals: Es ist besser freien
denn brunst leiden. Und vermanet die Corinther
von den widwen, so die gabe nicht hetten,
ausserhalb dem ehestand keusch zu leben, das
sie sie freien lassen.

Aus diesem grund hat der landsfürst herzog
Julius etc. allen klosterjungfrauen ihre frey-
heit 87 anzeigen und vermelden lassen, das wie
S. P. G. keine klosterjungfrauen aus den klöstern
zu verjagen gemeinet, sondern welche bleiben

87 a. R.: Den klosterjungfrauen frey gestelt, zu
freien oder zu bleiben.

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