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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0361
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Braunschweigs bei dem Rate eine Ordnung der Pfarrbestellung durch. die für die Folgezeit
richtunggebend geworden ist. Diese ,,Ordenunge, wie es hinfuro mit den nominationibus
vocationibus und annehmunge der herren predicanten in den kirchen zu Braunschweig gleich-
formig und einhellig gehalten werden soll” ist gedruckt bei Rehtmeyer (III, S. 213—217)
und im Urkundenbuch (I, S. 396—398). Unsere Ausgabe unter Nr. 2. Der Herzog
scheint erst ein Jahr später hiervon erfahren zu haben. Am 23. Juli 1572 ließ er sich in
einern Vertrage die Abmachungen des Friedensvertrages von 1569 von der Stadt bestätigen
(vgl. StadtA. Braunschweig B III 15 Nr. 4). Die Stadtgeistlichen willigten ein, die Unter-
schrift unter die herzogliche KO von 1569 zu leisten, da sie mit der städtischen KO in der
Lehre übereinstimmte. Allerdings bestanden sie auf Beibehaltung der Zeremonien gemäß ihrer
KO, die sich von den 1569 angeordneten unterschieden. Diese Einschränkung wurde vom
Herzog genehmigt und ist bis 1671 aufrecht erhalten.

Für die Dauer der Regierungszeit Herzogs Julius wurde der 1569 geschlossene Friede in
Religionssachen noch nicht sonderlich beeinträchtigt. Indessen trat das Streben des braun-
schweigischen Rates nach kirchlicher Selbständigkeit zu Ende der genannten Zeit bereits
wieder deutlich in Erscheinung. Zunächst widersetzte der Rat sich herzoglichen Edikten in
kirchlichen Angelegenheiten, indem er das Recht, Anordnungen für Gebete, Trauergeläut
u. dgl. zu treffen, allein für sich in Anspruch nahm. Ferner weigerten sich die städtischen
Geistlichen, die bei dem Examen vor dem herzoglichen Konsistorium üblich gewordene
Probepredigt zu halten, da nicht zum Examen gehörig. Auch stellte sich der Rat bei der
Frage der Unterzeichnung der Konkordienformel gegen den Herzog (vgl. H assebrauk II,
S. 68; weiteres StadtA. Braunschweig, B III 15, Bd. 2 und 13). Unter Heinrich Julius, also
seit 1589, schaltete der Rat während der mannigfachen politischen Händel in kirchlichen An-
gelegenheiten in gewohnter Weise unbekümmert selbständig. Die herzoglichen Erlasse wurden
1590 in der Stadt nicht mehr angeschlagen und veröffentlicht, der Rat führte ein eigenes
Konsistorium ein, über das später noch zu handeln ist, und auch in der Pfarrbesetzung ver-
fuhr er weitgehend eigenmächtig. — Der Herzog verweigerte zwar daraufhin die Belehnung,
doch focht dieses den Rat wenig an (vgl. Hassebrauk III, S. 79 f.). Ueber die weiteren,
zum Teil kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Stadt und Herzog vgl. Hassebrauk
(111, S. 86 ff., IV, S. 154 //.; Steinacker, S.60—67; Beste, S. 134 //; Tunica, S. 77 f.).
Die Geistlichkeit war namentlich zu Anfang des 17. Jahrhunderts an dem Gang der Politik teil-
weise recht wesentlich beteiligt. Darauf ist hier nicht näher einzugehen (vgl. u. a. Hel-
muth, Ueber den Anteil des geistlichen Ministerii der Stadt Braunschweig an den daselbst
im Jahre 1604 vorgefallenen Unruhen, in: Vaterländ. Archiv f. hannov.-braunschw. Gesch.
1833, S. 307—338). Bis zur Uebergabe der Stadt an die welfischen Fürsten 1671 behielt der
Rat die Führung des städtischen Kirchenwesens in seiner Hand.

Das somit trotz der vielfachen Einsprache der Landesherren behauptete Kirchenregiment
des Rates prcigte sich neben der Inanspruchnahme des Patronatsrechtes in den verschieden-
sten Ratsmandaten und -edikten aus. Nach den libri memorandorum und anderen ein-
schlägigen Quellen im Stadtarchiv Braunschweig und nach Rehtmey er lassen sie sich so
gut wie vollständig zusammenstellen.

In den ersten Jahrzehnten ging es um Sicherung des evangelischen Glaubens. 1530 kamen
öffentliche Anschläge heraus, die Lästerer und Verächter des göttlichen Wortes und der
KO verwarnten, den Besuch von Gottesdiensten im noch katholisch gebliebenen Stift St. Blasii
und das Lesen von Ketzerschriften verboten (vgl. Rehtmeyer 111, S. 91 ff.). 1556
wandte sich ein Ratsedikt wider diejenigen, die nach Ausgang des schmalkaldischen Krieges

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