Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0362
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
auf die Dörfer zu den papistischen Gottesdiensten liefen (vgl. liber memorandorum B I 2
Ar. 5 fol. 40’, Rehtmeyer III, S. 224). Wiedertäufer und Sekten wurden aus der Stadt
verbannt im Jnschluß an ähnliche Verfügungen in benachbarten Gebieten durch ein Mandat
1534 (vgl. Rehtmejer III, S. 113), und ein Edikt 1561 (vgl. liber memorandorum B I 2
Nr. 5, fol. 59: Rehtmejer III, S. 243 und Beilage S. 101 f.). In das Eherecht griff
der Rat durch ein Edikt von 1549 ein (vgl. liber memorandorum B I Nr. 5, fol. 18’ f.;
Reh tmejer III, S. 249). 1573 bestimmt er, daß eine Ehe „in t.ertio gradu in linea
aequali” erlaubt sein soll (vgl. liber memorandorum B I 6, Nr. 1, fol. 304’).

Diese und ähnliche Mandate fanden Aufnahme in das neugefaßte Stadtrecht, auch Polizei-
ordnung genannt, von 1573 (gedr. zu Magdeburg; ohne Titelblatt vorh. im StA. Wolfen-
büttel, Slg.Abt. 40, Nr. 545; abgedr. Urk.Buch I, S. 404—435). Mit dieser Ordnung räumte
der Rat der KO von 1528 bzw. 1563 noch eine besondere Stellung im städtischen Rechts-
leben ein, indem er nun gesetziich jeden Bürger auf sie verpflichtete und das gesamte
städtische Kirchenwesen, namentlich auch die Prediger unter seinen ausdrücklichen Schutz
nahm.

Es ist die Beliauptung aufgestellt worden, in Braunschweig habe ein kirchliches Regiment
un d eine kirchliche Verwaltung bestanden. Jenes soll in den Händen des gesamten Rates
gelegen haben, die Kirchenverwaltung aber sei von einem Ausschuß des großen Rates
in Gemeinschaft mit dem Stadtsuperintendenten und dessen Koadjutor ausgeübt worden.
Dieses gemischt weltlich-geistliche Kollegium habe unter dem Namen „Kirchenrat” eine Art
städtisches Konsistorium gebildet (so vor allem V. Dettmer, Das Geistliche Gericht der
Stadt Braunschweig, in: ZnKG 34/35, 1929/30, S. 201). Diese Annahme beruht auf einem Irr-
tum. Die Bezeichnung „Kirchenrat” erscheint offenbar erstmalig bei Rehtmejer (III,
S. 134; Beilagen zu III, S. 142, 150, 215). In allen Fällen handelt es sich tatsächlich um den
sog. „Küchenrat” der Stadt Braunschweig, gebildet von den 14 Bürgermeistern des großen
Rates (vgl. u. a. Rehtmejer IV, Vorrede). Es liegt offensichtlich ein Druckfehler vor.
Einen „Kirclienrat” im vorgenannten Sinne hat es niemals gegeben. Die Versehung der be-
sonderen Kirchengeschäfte übertrug der große Rat der Stadt Braunschweig, bestehend aus
insgescimt 105 Personen, den städtischen Geistlichen, die im geistlichen Ministerium unter der
Führung des Superintendenten und seines Stellvertreters, des Koadjutors, zusammengeschlossen
waren.

Ein Beispiel dafür, wie stark zu gewissen Zeiten Rat und geistliches Ministerium zusam-
menarbeiteten, ist das Aktenstück, betitelt: „Des Superintendenten, Coadjutors und sämtlicher
Prädikanten Erinnerung wegen eingerissener Mißbräuche in Kirche, Schule und täglichem
Leben. 1549” (StadtA. Braunschweig B IV 11 Nr. 22). Hierin legt die Geistlichkeit zwölf
Anträge vor, zu denen sich der Rat Punkt für Punkt äußert. In zustimmenden Fällen trifft
er zugleich Anordnung für Abstellung der Mängel (über älmliche Verhandlungen aus den
Jahren 1561, 1565, 1568, vgl. StadtA. Braunschweig B IV 11 Nr. 162).

Das Amt des Superintendenten und des Koadjutors hatte Bugenhagen 1528 geschaffen.
Die Wahl derselben lag danach bei dem Rat und den Schatzkastenherren. Nach dieser Ord-
nung wurde auch bis 1671 verfahren, jedoch nicht immer ganz reibungslos. Einer Neuanstel-
lung gingen vielfach lange Verhandlungen voraus, worüber die Akten gute Auskunft geben
und Rehtmej er ausführlich berichtet. Aufschlußreich ist die von ihm selbst verfaßte
Bestallung des Martin Chemnitz (vgl. Relitmejer III, Beilagen S. 118—139). Unsere Aus-
gabe unter Nr. 3. Zu den braunschweigischen Superintendenten gehörten Persönlichkeiten, die

342
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften