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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0363
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über die Stcidtgrenzen hinaus von außerordentlicher Bedeutung waren. wie Joachim Mörlin
1553—1567, Martin Chemnitz 1567—1586 und Polycarp Leyser 1589—1594 (vgl. auch Hille-
Kellner, S. 18 f.j.

Dem Ansehen dieser Superintendenten ist es wohl zuzuschreiben, daß das geistliche Mini-
sterium der Stadt Braunschweig vielfach von auswärts gebeten wurde, neu anzustellenden
Predigern ein „testimonium ordinationis” zu erteilen. Solche Ordinationszeugnisse liegen vor
für die Jahre 1558—1568 (StadtA. Braunschweig G I 2 Nr. 51), beispielswei.se für Magister
Abraham Papenius, 1558 nach Tating in Holstein berufen, Johannes Obermeier, 1558 nach
Hannover berufen, D. Theodericus Burchdorf, 1559 nach Forens in Holstein berufen (gemeint
vielleiclit Insel Föhr?). Noch Herzog Julius läßt 1568 auf diese Weise Bussemann Lensche
ordinieren, den er für die Pfarre in Adenstedt vorgesehen hat.

Den Predigern galten vielfache Vergünstigungen in der Stadt Braunschweig. 1539 gewährte
der Rat seinen Prädikanten mit ihren Hausfrauen und Kindern für die Zeit ihres Aufent-
haltes in Braunschweig freie Bürgerschaft, wälirend der Ausübung des Predigeramtes waren sie
frei von allen Bürgerpflichten (vgl. StA. Wolfenbüttel, Slg.Äbt. 40, Nr. 74). 1571 wurde die
Versorgung der Pfarrwitwen und -waisen sichergestellt (vgl. StadtA. Braunschweig G II 1
Nr. 8 Stück 3). Erhielten bewährte Prediger einen Ruf in eine andere Stadt, so ließ es sich
in vielen Fällen der Rat angelegen sein, sie durch besondere Gehaltszulagen zu bewegen, in
Braunschweig zu bleiben. 1573 beantragten die Prädikanten wegen der allgemeinen Ver-
teuerung der Lebenshaltung bei dem Rat Erhöhung ihrer Besoldung, die ihnen bedingt be-
willigt wurde (vgl. StadtA. Braunschweig B IV 11 Nr. 20).

Akten über die einzelnen Pfarrbestallungen liegen in großer Anzahl vor, auch Reht-
meyer berichtet darüber ausführlich. Beste, Album, bringt brauchbare Uebersichten.
Auch über die Kastenherren, insbesondere ihre Amtsbefugnisse und Rechnungsführung, ist
reiches Material im Stadtarchiv Braunschweig vorhanden.

Bereits 1529 richtete der Superintendent Martin Görlitz dcis geistliche Kolloquium ein, dem
fortan sämtliche städtischen Prädikanten angehörten urid das immer unter dem Vorsitz des
jeweiligen Superintendenten stand. Zu diesem Kolloquium sollte das geistliche Ministerium
alle 14 Tage zusammentreten und über kirchliche und religiöse Fragen beraten, vor allem
über das verhandeln, was irgendwie gegen die KO verstieß (vgl. Rehtmeyer III, S. 87;
auch Hille-Kellner, S. 253 Anm.). Diese Einrichtung hat sich bis ins 18. J ahrhundert
erhalten. In dieser Form stand die Geistlichkeit neben dem städtischen Rat, doch wachten
beide eifersüchtig darüber, daß keiner in das Recht des anderen übergriff.

Etwa im Jahre 1530 kamen auch „General-Kolloquia” auf, in denen die Prädikanten mit
den Kastenherren und Diakonen zusammentraten, um über besonders schwerwiegende kirchliche
Angelegenheiten zu beraten (vgl. Rehtmeyer III, S. 94 f.). Rehtmeyer berichtet gleichzeitig,
daß nach etwa 40 Jahren Mißhelligkeiten aufgetreten seien, so daß Chemnitz diese General-
Kolloquia wieder abgeschafft habe. Aus den acta colloquiorum des Stadtarchivs Braunschweig
(B IV 11 Nr. 163) geht allerdings hervor, daß eine Lücke wohl 1566—1589 bestanden hat,
doch wird das General-Kolloquium 1571 ausdrücklich genannt und scheint mindestens seit
1589 wieder regelmäßig zusammengetreten zu sein, jedenfalls sind Akten desselben von 1589
bis 1593 und seit 1604 vorhanden. Diese Akten oder Protokolle enthalten Vorschläge und
Bitten des geistlichen Ministeriums an den Rat zur Abstellung von Mängeln in Angelegen-
heiten der Kirche und Schule. 1607 werden den Herren des geistlichen Ministeriums von allen
Vorstehern der Kirchen Punkte vorgetragen, worin sie sich über das Verhalten der Pre-

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