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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0365
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Neben dem geistlichen Ministerium bzw. dem Kolloquium ncihm auch der Rat selbst die
Kirchenzucht in die Hand und erließ dafür mancherlei Edikte, die in den libri memorandorum
des Stadtarchivs Braunschweig aufgezeichnet sind. So richtete er sich 1556, 1559, 1567, 1573
gegen die Fastabendgebräuche, 1565 gegen unehrbares Benehmen und Verwilderung der
Jugend namentlich bei kirchlichen Feierlichkeiten, 1571 gegen Lustbarkeiten in den Pfingst-
feiertagen. Das bereits erwähnte Stadtrecht von 1573 (Urk.Buch I, S. 404—435) hat auch
von diesen Anordnungen einiges übernommen. 1590 verscliärfte der Rat die gleichen Bestim-
mungen in einem erneuten Erlaß, der von den Kanzeln verlesen wurde (StadtA. Braun-
scliweig, B IV 11 Nr. 53).

Gegen das Bettelunwesen war die Geistlichkeit bereits 1549 beim Rat vergeblich Sturm
gelaufen (vgl. StadtA. Braunschweig B IV 11 Nr. 22). 1568 erließ der Rat auf Veranlassung
des Swperintendenten Martin Chemnitz eine Ordnung, nach der Bettelei nur mit schrift-
licher Erlaubnis des Rates gestattet war, Bettelvögte wurden eingesetzt, die die Bettelei
lenken sollten (vgl. StadtA. Braunschweig, liber memorandorum B 1 2 'Nr. 6, fol. 68’).

Ueber das Schulwesen vgl. F. Koldew ey, S chulor dnungen; B o d e; H. D ür r e, Ge-
schichte der G el ehr t e n s chul e n zu Braunschweig. Vom 11. Jahrhundert bis zum Jahre
1671. Programm des Obergymnasiums zu Braunschweig 1861, S. 22 ff. Die Oberaufsicht
über die Schulen stand dem Stadtsuperintendenten und seinem Koadjutor zu, denen fiinf
Ratsherren und die Schatzkastenherren zur Seite standen. Sie hatten alle halbe Jahr die
Schulen zu visitieren und über die wichtigeren Schulangelegenheiten zu beschließen.

Die Beziehungen der Stifter und Klöster der Stadt Braunschweig zum Rat nach ihrer
Reformierung bedürfen noch einer genaueren Untersuchung. Aktenmaterial ist zahlreich vor-
handen. Die geistlichen Besitzungen bildeten ständig Veranlassung zu Streitigkeiten und
Prozessen, so ging es namentlich um das Domstift St. Blasii, das außer dem Kloster
St. Aegidii unzerstört geblieben war (vgl. St.A. Wolfenbüttel, L Alt.Abt. 11, Nr. la — 3). 1542
wurde hier auch Bugenhagens Klosterordnung eingeführt, die der KO des Landes Wolfen-
büttel von 1543 angehängt und bereits 1535 in Pommern erschienen war (vgl. oben, S. 81).
Im selben Jcilire wurde Martin Görlitz, bis dahin braunschweigischer Stadtsuperintendent,
Stiftsprediger, legte aber dieses Amt 1545 nieder. Sein Nachfolger, Conrad Bergius, mußte
1548 auf Befehl Herzogs Heinrich d. J. weichen, der Dom wurde geschlossen. 1552 forderte
Volradt, Graf zu Mansfcld, von den Kanonikern, die evangelische Lehre wieder einzu-
führert und einen evangelischen Prediger aufzustellen. 1m Vertrag von 1553 mußte Herzog
Heinrich d. J. seinen Widerstand gegen diese Forderung aufgeben. Seitdem ist es bei evan-
gelischer Lehre und ihren Predigern im Stifte St. Blasii geblieben, voUends unter Herzog
Julius seit 1568.

Bil 1671 war St. Blasien stets im Gemeinschaftsbesitz der welfischen Herzöge. Damit stand
die Besetzung der Kanonikatsstellen abwechselnd nach festgesetztem Turnus den einzelnen
Zweigen des Welfenhauscs zu. Bezeichnend ist beispielsweise der Northeimische Abschied vom
11. Juli 1580, der von den Räten der braunschweigischen Herzöge Julius, Frich und Wil-
helm vollzogen wurde. Llerzog Julius hatte den Wunsch geäußert, daß die Präbenden in den
Stiften St. Blasii und St. Cyriaci zu Braunschweig der Universität Helmstedt zur Verfügung
gestellt werden möchten. Die Ilerzöge Erich von Calenberg und Wilhelm von Lüneburg pro-
testierten dagegen und setzten durch, daß jeder Fürst seinen Anteil an den Präbenden für
die Partikular-Schulen in seinem Lande verwenden konnte (vgl. Abdruck des Abschiedes
in: Vaterländ. Archiv 1836, S. 125 ff.). Hierbei sei erwähnt, daß Herzog Julius 1576 bei

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