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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0635
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Klosterordnung 1555

oder andere gesenge underlassen werden, damit
es die personen ertragen und das ander mit
desto mehrem fleiss singen und lesen mogen,
und soll solchs zu bedenken und verordenung
der dominae und subpriorissen, die den chor
regiren, stehen.

Weil dann die domina ein zeitlang die palm,
osterkerzen, wasser und feuer geweihet hat und
aber solchs ihr nicht geburet, dann es ohne das
Gottes guthe creaturen sein und kein befelich
in heiliger schrift darvon ist, sonder derselbigen
mehr zuwider, so sol solchs furder underlassen
werden.

Gleicher gestalt soll auch geschehen mit an-
deren ceremonien, die gotlicher schrift nicht
gemess sein.

Under der malzeit sol ein capittel aus dem
neuen testament deutsch und lateinisch eine
malzeit umb die andere gelesen und am evan-
gelio Matthei angefangen und also nach der
ordenung durch das ganze neue testament furt-
gefahren und ein zuchtig, stil wesen under der
malzeit gehalten, domit die lectio möge gehort
werden.

Weil dann in haltung des capittels allerley
furlaufet, das grossen unwillen und haß zwischen
den personen geberet, auch etliche unchristliche
ceremonien mit underlaufen, so sol hinfurder
das capittel, wie es bishero gehalten worden,
underlassen und folgender gestalt domit gehal-
ten werden.

Erstlich, so eine person etwas thut, das ihr
nicht gepuret, soll sie nach der lehre Christi
durch die dominam darumb angesprochen und.
zur besserung vermanet werden. So sie dann
sich nicht bessert, soll sie vor die domina und

29 Wackernagel I, Nr. 281.

29a Die Klausur war in den benediktinischen
Nonnenklöstern Deutschlands niemals — auch
nicht während der Reformzeit — so streng,
daß nicht vernünftige Reisen, insbesondere
im. Interesse des Konvents, aber auch zu
Verwandten, erlaubt gewesen wären. Der
Niedergang der Klöster im ausgehenden Mit-

samlung gestalt und daruber rath gehalten wer-
den, wie die ungehorsam person zu besserung
moge gebracht werden. Also sol es auch gehal-
ten werden, wann eine person etwas hochstreff-
lichs geubet hette.

Wann auch etwas furfellet, daranne dem klo-
ster gelegen, so mag es die domina mit etlichen
oder allen jungfrauen nach gelegenheit der sachen
in gemeine versamblung reden, handlen und dar-
von ratschlagen.

Hat auch die domina den jungfrauen in ge-
mein was anzuzeigen, mag sie zu solcher not-
turft auch eine versamblung machen.

Und sollen solche zusamenkunft und ver-
samblung ausserhalb der zeit, wenn in der kir-
chen gottesdienste, gehalten werden, damit nie-
mands an demselbigen verhindert werde.

Es sollen auch solche versamblung ohne die
ceremonien, die zuvor bei den capiteln gehalten
sein worden, geschehen. Es mag aber im an-
fange gesungen werden: Veni, sancte Spiritus 29.

Zum vierden, weil auch im zeitlichen etliche
unrichtigkeit gefunden worden, so ist darinne
auch notturftige versehung geschehen, und dem-
nach weil aus dem vielen ausfaren 29a, sonder-
lich so ohne vorwissen und willen der dominae,
des klosters und freundschaft geschehen, erger-
nus erfolget, auch sich sunst geistlichen jung-
frauen nicht geburet, so sol hinfurder keine
jungfrau, die in das kloster begeben ist, aus
dem kloster faren, es sei dann, das sie ihre
freunde holen lassen und der dominae angezeigt
werde und mit ihrem vorwissen geschehe.

Es sollen sich aber diejenige, so ausfaren und
wider zu kloster wollen, nach ausgerichten ihren
gescheften wider zu kloster begeben, welche aber

telalter freilich hatte zur Folge gehabt, daß
die Nonnen auch ausgingen, um etwa an
Hochzeiten und Tanzbelustigungen teilzu-
nehmen, oder daß große Gastereien in den
Klöstern selbst stattfanden; vgl. St. Hilpisch,
Geschichte der Benediktinerinnen. 1951, S. 57
1, 67 f„ 70 f„ 77.

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