Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0647
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
dem Rat vorgelegt (vgl. Ubbelohde, Wrede, S. 141 f., Reinecke II, S. 168 ff.). Text
unter Nr. 1.

Beim Fortgang der Reformation drängte sich das politische Interesse vor; Urbanus Rhe-
gius räumte deshalb das Feld (vgl. Wrede, S. 144 ff., 179 ff.; bei Rein e ck e II, S. 170 ff.
ist der Verlauf ungenügend, z. T. auch falsch gezeichnet). Daß die evangelische Sache sich
durchsetzte, ist zweifelsohne dem Umstand zu verdanken, daß der Landesherr, vor allern aber
alle befreundeten Städte — namentlich Hamburg und Lübeck — hierzu standen und der Um-
schwung auch im Stift Bremen-Verden sich bemerkbar machte, von dem der katholische
Widerstand in Lüneburg bisher allein unterstützt worden war.

Eine Bestätigung der KO von 1531 durch den Rat ist nicht überliefert. Am 4. September
1531 (vgl. StadtA. Lüneburg, Ratsurk.) wurde sie zwar durch ein Mandat eingeführt, jedoch
versprach der Rat darin nur die Förderung der KO und verlangte von der Bürgerschaft für
sich Bewegungsfreiheit, ohne weitere klare Formulierung dieses Anspruches (vgl. Wrede,
S. 145). Noch im September 1532 mußte Rhegius feststellen, daß der Rat der KO nicht den
nötigen Nachdruck verlieh; vielfach würden noch papistische Gebräuche geübt. Der Rat vertei-
digte sich mit der Erklärung, er sei bestrebt, die angenommene KO durchzuführen, und halte
sie für christlich (vgl. Wrede, S. 192 f.). Bei dieser Stellungnahme scheint es geblieben zu
sein.

Die sonstigen Auseinandersetzungen zwischen Rat und Bürgerschaft betrafen namentlich
das Vermögen der geistlichen Bruderschaften. Ihretwegen kam es zu ernsten Tumulten
(vgl. Wrede, S. 189 ff., irreführend bei Reinecke II, S. 170). über die Entwicklung der
zahlreichen geistlichen Stiftungen gibt Matthaei gut Aufschluß (Vikariestiftungen, S.74ff.).
Der lebhafte Anteil, den der Rat mit den ihm verbundenen Patrizierfamilien an diesen Stif-
tungen hatte, war für ihn ein wichtiger Grund, sich der neue'i Lehre nicht vorbehaltlos
anzuschließen.

Bemerkenswert ist die gegensätzliche Haltung, die im Frühjahr 1535 eingenommen wurde.
Einmal war die evangelische Geistlichkeit Lüneburgs an dem Konvent zu Hamburg vom
15. April 1535 beteiligt, in dem die Geistlichen der Hansestädte Lübeck, Bremen, Rostock,
Stralsund, Lüneburg, Wismar und Hamburg gemeinsam 17 Artikel vereinbarten, um Lehre
und Grundlage des Kultus festzulegen (vgl. Sehling V, S. 482, Abdruck S. 540 — 543). Zur
selben Zeit aber stand der Rat auch mit dem damals noch katholischen Hildesheim zusammen
in einem Schutz- und Trutzbündnis (vom 30.März 1535) zur Erhaltung der alten Freilieiten
und Privilegien (vgl. W r e de , S. 199, .1 ü r g e n s, S. 90, F rie dl an d , S. 83).

Auf das Schicksal der in der Stadt befindlichen Klöster wirkte sich der übergang zum
Luthertum verschieden aus. Die Barfüßermönche mußten, da sie die neue Lehre nicht an-
nehmen wollten, im August 1530 die Stadt verlassen. Unter ihnen befanden sich vor allem
auch die Mönche, die am alten Glauben festhielten und aus Celle, Winsen, auch aus Bremen.
Lübeck und Ilamburg bereits hatten flüchten müssen (vgl. Wrede, S. 122 ff.).

Das erheblich verschuldete und nur noch gering besetzte Kloster Heiligenthal (4 Ordens-
brüder) trat seinen gesamten Besitz und alle Rechte 1530 dem Rat der Stadt ab (vgl. Fried-
land, S. 73). Der Herzog protestierte hiergegen und pochte auf seine Rechte als Landesherr
und Patron des Klosters. Diese Streitigkeiten fanden ihren Abschluß erst in dem Vertrage vom
19. März 1562. Mit ihm wurden der Stadt die Güter des ehemaligen Klosters innerhalb ihrer
Mauern, den Herzögen das außerhalb gelegene Besitztum zugesprochen.

78*

627
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften