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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0694
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Lüneburg

die jungsten und von ihnen widderumb uff die
eltisten, allein den superintendenten und senior
ausgenohmen etc., und von den anderen, so
nicht mifc hinausgehen, gehet einer nach dem
andern zu ihme ins gefenknus und redet eine
stunde oder anderhalb mit ihme zu troste aus
Gottes worte, betet auch mit ihme umb einen
wahren, vesten glauben, christliche gedult und
gehorsam, sampt einem seligen ende. So ofteiner
von ihme gehet, lest man ihn eine ganze oder
eine halbe stunde alleine, damit ehr den ge-
hörten trost bey sich bedenken, darinne pruef-
fen, und was ihme mangelt, von dem folgenden
forderen kan, und dasselbe helt man also bis
auf den abend umb zehen schlegen, dan da lest
man ihne die nacht, das ehr ruhen mag, mit den
dieneren, so auf ihn warten, alleine.

Den andern morgen gehet einer umb funf
schlegen widderumb zu ihme und bleibt ge-
meintlich ungefehr anderthalb stunde bey ihme,
so lange ein ander in seine sredte widerkumpt,
und diß alles helt man so lange also, bis das
ehr ausgefuhret wird. Es zeiget auch allewege
einer, der da seine zeit bey ihme gewesen ist,
dem andern, so ihme folget, mit vleisse ahn, was
ehr zugenohmmen oder worinne es ihme noch
mangelt, damit ehr nach aller notturft mit heil-
sahmer lehre und lebendichmachendem troste
desto besser vorsehen werden moge. Wird auch
den morgen in der kirchen, da man alsdan pre-
digt, die gemeine, getreulich vor ihm umb einen
wharen glauben und sehlige stunde zu bitten,
vormhanet. Wen ehr den trost göttliches wor-
tes zulest und es begerenöe ist, wird ihme auch
von einem, welchen ehr selbst erwehlet, auf
seine vorgehende beicht und bekantnus die hei-
lige absolution gesprochen und der whare leib
nebenst dem theuren bluthe Christi in dem hei-
ligen und hochwirdigen sacramente vorreichet,
und in summa wird nichts underlassen, das ihme
zu troste und sterkung des glaubens dienen mag.

1. Dan so einer vorkumpt, der die grosheit seiner
sunde nicht erkennet, in unbusfertigkeit stecket

und sich vordunken lest, die obrigkeit thue ihme
unrecht etc., der wird durch die predigt und er-
innerung des gesetzes zur erkantnus derselben ge-
bracht und zu wharer reu 97a und leid vormhanet.

2. So auch einer nicht gerne wolte sterben,
sondern grosse begierlicheit und lust oderwillen
hat zu leben, deme helt man vor die vielfaltige
und grosse muhseligkeit dieses lebens und er-
innert ihme, wie wir je leng je mehr sundigen
und demnach nicht besser ist, dan je ehe je lie-
ber zu sterben, daher auch die allerheiligsten
Gottes in ansehung solcher gebrecklicheit je ehe
je lieber zu sterben begeret haben, wie der liebe
S. Paulus selber spricht [Phil 1,23]: Ich begere
aufgelöset zu werden und mitChristo zu seinde;
dan weil deme also ist und die heiligen Gottes
selbst ihre grosse zuneigung zu sundigen be-
funden und bekennen mussen, so soll je viel
mehr ein solcher offenbarer, grosser und grober
sunder, der seiner bösen natur und gottloses
leben halben auch vor der ganzen welt straff-
bar und vordamlich ist, von ganzem herzen bit-
ten, wunschen und begeren, das ihme sein leben
nach seinem vordienste von der geburlichen ob-
rigkeit nur vorkurzet, seinem bösen fleische und
bluthe und arger zuneigung mit eisen und stall,
wasser und feur etc. gewehret und gesteuret
werde, auf das alleine sein allergnedigster Godt
und Vatter, der ihn durch Christum von sunden
und ewiger vordamnus gefreyet hat, ihn nach
seiner grossen barmherzigkeit in sein reichenhe-
men wolle, damifc ehr nicht ferner oder weiter
von ihme erzurnet werde und also lang undank-
bar gegen seinen barmherzigen Gott und Vatter
gefunden werde.

3. Wen einer ungedultig ist, die straffe auf
sich zu nhemen, so wird ehr umb seiner schul-
digen pflicht willen zur gedult und gehorsahme
vormhanet; den der da schuldig ist, je billich
auch geduldig sein soll, wie der prophet Micheas
ahm 7. cap. [9] sagt: Ich will des Hern zorn
tragen, dan ich habe mich widder ihn vorsun-
diget, ja, das ehr Godt dem Vatter aller gnaden

97aIm Original: ruhe.

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