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FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
- Welche Formen von offener oder verbindlicher Koordinierung der Staatenpolitik
auf Gemeinschaftsebene sind in diesen Politikfeldern möglich, und unter welchen
Bedingungen bzw. durch welche Mechanismen wären sie jeweils zu legitimieren?
- Welche Grenzen gibt es für solche Solidarität und Koordination in systematischer
und pragmatischer Hinsicht?
Zunächst sollen einige Grundfragen geklärt werden. Die Politische Philoso-
phie, vertreten durch Dr. Wolfgang Schröder, befasst sich mit Begriffsklärung und
Prinzipientheorie einer „europäischen Ordnungspolitik“ und konstitutionellen
„europäischen Völkersolidarität“. Ausgangspunkt dieses Forschungsbeitrags ist die
Analyse der ordnungspolitischen Aufgaben, die die erweiterte EU jetzt und in
Zukunft zu bewältigen hat. Diese bündeln sich zu dem Gesamtziel, aus zwei ehemals
völlig unterschiedlichen Wirtschaftsblöcken: den marktwirtschaftlich geprägten Staa-
ten Westeuropas und den vormals sozialistisch-planwirtschaftlichen Staaten Osteuro-
pas, einen einheitlichen, global wettbewerbsfähigen und langfristig prosperierenden
Wirtschaftsraum zu formen. Strittig ist bislang vor allem, wie viel Wettbewerb, wie
viel europapolitische Koordinierung und welche Koordinationskriterien geboten
sind, um dieses Ziel erfolgreich umzusetzen.
Der historische Beitrag befasst sich mit den Formen transnationaler Solidarität
in der historischen Entwicklung und wird von Dr. Niels Petersson unter Mitarbeit
von Wolfgang Kretschmer bearbeitet. Ausgangspunkt ist die These von Milward,
dass die Absicherung binnenstaatlicher Solidarsysteme durch übernationale Gemein-
schaftsbildung am Anfang der europäischen Integration stand. Ende der fünfziger
Jahre standen die Staaten Europas vor einem Dilemma: Aus Gründen des Wirt-
schaftswachstums konnten sie sich eine nationale Abschottung nicht leisten und
mussten dringend den Austausch untereinander und mit dem Rest der Welt intensi-
vieren, d. h. ihre Märkte öffnen; aus Gründen der politischen Legitimität kam jedoch
eine einfache Deregulierung, ein Freihandelsregime, nicht in Frage. Das Europa des
Gemeinsamen Marktes, das Milward als Ausweg aus diesem Dilemma interpretiert,
erlaubte die Koordination offener Wohlfahrtsstaaten, das Festhalten an wohlfahrts-
staatlichen Programmen und ihre gegenseitige Abstimmung in einem gemeinsamen
Wirtschaftsraum. Die Koordination offener Wohlfahrtsstaaten in der EU stellt nun
keineswegs eine gesicherte Errungenschaft dar, vielmehr muss sie immer wieder
aufs Neue hergestellt werden. Dies bereitet insbesondere angesichts der Krise des
Wohlfahrtsstaates und ganz neuer Probleme der Integration nicht unerhebliche
Schwierigkeiten. Die von philosophischer Seite ins Gespräch gebrachten Kriterien
der Subsidiarität und der sozialen Marktwirtschaft als Verbindung von Marktwirt-
schaft und sozialem Ausgleich können hier Orientierung geben, sind aber primär für
den nationalen Rahmen gedacht und bedürfen daher einer neuen Konkretisierung
für den Fall eines Staatenverbundes.
Aus historischer Sicht sind binnenstaatliche Solidarsysteme und die Vorstellung
einer ausgleichenden Gerechtigkeit zwischen den Völkern Begleiterscheinungen
des Interventionsstaats und des Internationalismus, lassen sich also der historischen
Epoche ab dem späten 19. Jahrhundert zuordnen. Dabei sind die Entstehung, Orga-
nisation und Legitimation überstaatlicher Solidarität zu berücksichtigen. Diese histo-
FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
- Welche Formen von offener oder verbindlicher Koordinierung der Staatenpolitik
auf Gemeinschaftsebene sind in diesen Politikfeldern möglich, und unter welchen
Bedingungen bzw. durch welche Mechanismen wären sie jeweils zu legitimieren?
- Welche Grenzen gibt es für solche Solidarität und Koordination in systematischer
und pragmatischer Hinsicht?
Zunächst sollen einige Grundfragen geklärt werden. Die Politische Philoso-
phie, vertreten durch Dr. Wolfgang Schröder, befasst sich mit Begriffsklärung und
Prinzipientheorie einer „europäischen Ordnungspolitik“ und konstitutionellen
„europäischen Völkersolidarität“. Ausgangspunkt dieses Forschungsbeitrags ist die
Analyse der ordnungspolitischen Aufgaben, die die erweiterte EU jetzt und in
Zukunft zu bewältigen hat. Diese bündeln sich zu dem Gesamtziel, aus zwei ehemals
völlig unterschiedlichen Wirtschaftsblöcken: den marktwirtschaftlich geprägten Staa-
ten Westeuropas und den vormals sozialistisch-planwirtschaftlichen Staaten Osteuro-
pas, einen einheitlichen, global wettbewerbsfähigen und langfristig prosperierenden
Wirtschaftsraum zu formen. Strittig ist bislang vor allem, wie viel Wettbewerb, wie
viel europapolitische Koordinierung und welche Koordinationskriterien geboten
sind, um dieses Ziel erfolgreich umzusetzen.
Der historische Beitrag befasst sich mit den Formen transnationaler Solidarität
in der historischen Entwicklung und wird von Dr. Niels Petersson unter Mitarbeit
von Wolfgang Kretschmer bearbeitet. Ausgangspunkt ist die These von Milward,
dass die Absicherung binnenstaatlicher Solidarsysteme durch übernationale Gemein-
schaftsbildung am Anfang der europäischen Integration stand. Ende der fünfziger
Jahre standen die Staaten Europas vor einem Dilemma: Aus Gründen des Wirt-
schaftswachstums konnten sie sich eine nationale Abschottung nicht leisten und
mussten dringend den Austausch untereinander und mit dem Rest der Welt intensi-
vieren, d. h. ihre Märkte öffnen; aus Gründen der politischen Legitimität kam jedoch
eine einfache Deregulierung, ein Freihandelsregime, nicht in Frage. Das Europa des
Gemeinsamen Marktes, das Milward als Ausweg aus diesem Dilemma interpretiert,
erlaubte die Koordination offener Wohlfahrtsstaaten, das Festhalten an wohlfahrts-
staatlichen Programmen und ihre gegenseitige Abstimmung in einem gemeinsamen
Wirtschaftsraum. Die Koordination offener Wohlfahrtsstaaten in der EU stellt nun
keineswegs eine gesicherte Errungenschaft dar, vielmehr muss sie immer wieder
aufs Neue hergestellt werden. Dies bereitet insbesondere angesichts der Krise des
Wohlfahrtsstaates und ganz neuer Probleme der Integration nicht unerhebliche
Schwierigkeiten. Die von philosophischer Seite ins Gespräch gebrachten Kriterien
der Subsidiarität und der sozialen Marktwirtschaft als Verbindung von Marktwirt-
schaft und sozialem Ausgleich können hier Orientierung geben, sind aber primär für
den nationalen Rahmen gedacht und bedürfen daher einer neuen Konkretisierung
für den Fall eines Staatenverbundes.
Aus historischer Sicht sind binnenstaatliche Solidarsysteme und die Vorstellung
einer ausgleichenden Gerechtigkeit zwischen den Völkern Begleiterscheinungen
des Interventionsstaats und des Internationalismus, lassen sich also der historischen
Epoche ab dem späten 19. Jahrhundert zuordnen. Dabei sind die Entstehung, Orga-
nisation und Legitimation überstaatlicher Solidarität zu berücksichtigen. Diese histo-