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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2023 — 2023(2024)

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III. Veranstaltungen

Mitarbeitervortragsreihe
„Wir forschen. Für Sie"
Bei dieser Veranstaltungsreihe kommen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Heidelberger Akademie sowie anderer deutscher Wissenschaftsakademien zu
Wort. Die Vorträge richten sich an ein breites Publikum, um Einblicke in die For-
schungsarbeiten zu geben.
„Alles andere als old-fashioned: Innovationen aus der Altsteinzeit"
Mitarbeitervortrag von PD Dr. Miriam Haidle am 23. Mai 2023
Wenn man vom steinzeitlichen Erbe in unserem heutigen Verhalten spricht, meint
man in der Regel atavistisches, also urtümlich anmutendes Handeln, das aus der
Zeit gefallen zu sein scheint. Männer erkundeten auf der Jagd das Gelände, Frauen
hüteten Kinder und das Feuer in der Höhle: daher besitzen Männer heute einen
besseren Orientierungssinn und Frauen ein Händchen für Inneneinrichtung, wie
uns manche Ratgeber glauben machen wollen. Tatsächlich haben viele unserer
heutigen Fähigkeiten, die unseren Alltag prägen, ihren Ursprung in weit zurück-
liegenden Zeiten. Doch sie sind keine primitiven Überbleibsel, sondern frühe In-
novationen, auf die der moderne menschliche Umgang mit der Welt aufbaut.
Die Grundlage dafür ist der Gebrauch von Werkzeugen, der es uns erlaubt,
über die angeborenen körperlichen Möglichkeiten hinaus die Umwelt zu mani-
pulieren. Mit Hilfsmitteln können wir Dinge öffnen, erreichen und verändern,
wofür unsere Zähne zu schwach, die Finger zu kurz und die Nägel zu stumpf
sind. Werkzeuggebrauch benötigt ein Denken in Umwegen. Ein Problem, z. B.
das Öffnen einer harten Nuss, kann nicht direkt angegangen werden. Statt es mit
den Zähnen zu versuchen, verspricht die indirekte Lösung mit Hilfe eines Ham-
mersteins ein weniger schmerzhaftes Ergebnis. Die Suche nach einem Werkzeug
ist allerdings gedanklich anspruchsvoller und verlangt eine gewisse Impulskon-
trolle: das eigentliche Ziel, die Nuss, muss für einen Augenblick gedanklich beisei-
tegelegt und die Aufmerksamkeit auf ein passendes Gerät gelenkt werden. Etliche
Tierarten, darunter auch Krähen, Delphine und Oktopusse, nutzen Werkzeuge als
Hilfsmittel vor allem für den Nahrungseiwerb, aber auch die Fortbewegung, den
Schutz vor unliebsamen äußeren Einflüssen, um anderen zu imponieren oder im
Spiel. Orang-Utans und insbesondere Schimpansen gebrauchen dafür eine Vielfalt
an Materialien, stellen passende Geräte her und setzen auch mehrere verschiedene
Werkzeuge zur Lösung eines Problems ein. Schon Australopithecinen und frühere
Menschenartige haben es ihnen wahrscheinlich gleichgetan, doch die Werkzeuge

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