Nachruf auf Hans Belting
im Mittelalter einschließen lassen. In München war ich einfach frei." Dort, an der
Ludwig-Maximilians-Universität, lehrte er ab 1980 als Ordinarius und Professor
für Kunstgeschichte. Seinen Einstand gab er dort mit einer Antrittsvorlesung, de-
ren Titel zu einem Klassiker geworden ist: „Das Ende der Kunstgeschichte?" Wie
Belting selbst immer wieder betonte, wurde die Formulierung häufig missverstan-
den. Nicht die Kunst war aus seiner Sicht an ein Ende angekommen, sondern die
sich mit ihr befassende traditionelle akademische Disziplin, die ihm den Heraus-
forderungen einer entgrenzten zeitgenössischen Kunst und deren Verschränkung
mit technischen Medien wie Fotografie, Film, Fernsehen und Video nicht mehl-
gewachsen schien. Dass sich an dieser Diagnose aus seiner Sicht in der Folgezeit
zunächst nichts änderte, kann daran ersehen werden, dass er die 1983 erstmals ver-
öffentlichte Schrift 1995 stark überarbeitet, aber unter dem gleichen Titel, nun aber
ohne Fragezeichen, noch einmal veröffentlichte: „Das Ende der Kunstgeschichte.
Eine Revision nach zehn Jahren". Innerhalb dieser Dekade veröffentlichte Bel-
ting zunächst auch 1981 sein in methodischer Hinsicht richtungsweisendes Buch
„Das Bild und sein Publikum im Mittelalter. Form und Funktion früher Bildtafeln
der Passion", in dem er das Phänomen des Kulturtransfers anhand der Rezeption
von Passionsikonen im Westen untersucht. Dem folgte 1990 „Bild und Kult. Eine
Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst", in dem die mittelalterliche
Bilderverehrung von einer sozialgeschichtlichen Perspektive aus erforscht wird.
Angesichts der bereits in „Das Ende der Kunstgeschichte(?)" vertretenen Thesen
sowie seiner Aufgeschlossenheit allem Neuen, Modernen und Technischen ge-
genüber, überrascht es nicht, dass er - als zu diesem Zeitpunkt bereits internati-
onal renommierter Wissenschaftler - 1992 noch einmal den uneiwarteten Schritt
eines radikalen Neubeginns wagte, indem er München verließ, um in Karlsruhe
die Staatliche Hochschule für Gestaltung (HfG) Karlsruhe mitzugründen, an der
er bis zu seiner Emeritierung 2002 als Professor für Kunstwissenschaft und Me-
dientheorie lehrte. Seine Studierenden rekrutierten sich hierbei aus Künstlerinnen
und Künstlern wie angehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. „Das
war aus vielen Gründen die glücklichste berufliche Entscheidung meines Lebens",
erinnerte sich Belting 2002: „zumal der neugewonnenen Freiheit wegen und der
Möglichkeit wegen, mit kleinen Studentengruppen individuell zu arbeiten. Aber
ich war froh darüber, die Verbindung mit Heidelberg durch eine Honorarprofes-
sur wiederherstellen zu können. Seither habe ich eine ganze Reihe Heidelberger
Magistranden und Doktoranden betreuen können. Auch die Kooperation zwi-
schen den beiden Hochschulen bietet dazu viele Möglichkeiten".
Die 90er Jahre standen von daher für Belting im Zeichen einer Öffnung -
auch hin auf neue Themengebiete. Während seiner Zeit als Fellow am Wissen-
schaftskolleg in Berlin 1994-1995 schrieb er nicht nur das 1998 erschienene Buch
„Das unsichtbare Meisteiwerk. Die modernen Mythen der Kunst", eine Art Ar-
chäologie der Moderne, sondern er vertiefte auch seine zuvor geweckten Inter-
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im Mittelalter einschließen lassen. In München war ich einfach frei." Dort, an der
Ludwig-Maximilians-Universität, lehrte er ab 1980 als Ordinarius und Professor
für Kunstgeschichte. Seinen Einstand gab er dort mit einer Antrittsvorlesung, de-
ren Titel zu einem Klassiker geworden ist: „Das Ende der Kunstgeschichte?" Wie
Belting selbst immer wieder betonte, wurde die Formulierung häufig missverstan-
den. Nicht die Kunst war aus seiner Sicht an ein Ende angekommen, sondern die
sich mit ihr befassende traditionelle akademische Disziplin, die ihm den Heraus-
forderungen einer entgrenzten zeitgenössischen Kunst und deren Verschränkung
mit technischen Medien wie Fotografie, Film, Fernsehen und Video nicht mehl-
gewachsen schien. Dass sich an dieser Diagnose aus seiner Sicht in der Folgezeit
zunächst nichts änderte, kann daran ersehen werden, dass er die 1983 erstmals ver-
öffentlichte Schrift 1995 stark überarbeitet, aber unter dem gleichen Titel, nun aber
ohne Fragezeichen, noch einmal veröffentlichte: „Das Ende der Kunstgeschichte.
Eine Revision nach zehn Jahren". Innerhalb dieser Dekade veröffentlichte Bel-
ting zunächst auch 1981 sein in methodischer Hinsicht richtungsweisendes Buch
„Das Bild und sein Publikum im Mittelalter. Form und Funktion früher Bildtafeln
der Passion", in dem er das Phänomen des Kulturtransfers anhand der Rezeption
von Passionsikonen im Westen untersucht. Dem folgte 1990 „Bild und Kult. Eine
Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst", in dem die mittelalterliche
Bilderverehrung von einer sozialgeschichtlichen Perspektive aus erforscht wird.
Angesichts der bereits in „Das Ende der Kunstgeschichte(?)" vertretenen Thesen
sowie seiner Aufgeschlossenheit allem Neuen, Modernen und Technischen ge-
genüber, überrascht es nicht, dass er - als zu diesem Zeitpunkt bereits internati-
onal renommierter Wissenschaftler - 1992 noch einmal den uneiwarteten Schritt
eines radikalen Neubeginns wagte, indem er München verließ, um in Karlsruhe
die Staatliche Hochschule für Gestaltung (HfG) Karlsruhe mitzugründen, an der
er bis zu seiner Emeritierung 2002 als Professor für Kunstwissenschaft und Me-
dientheorie lehrte. Seine Studierenden rekrutierten sich hierbei aus Künstlerinnen
und Künstlern wie angehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. „Das
war aus vielen Gründen die glücklichste berufliche Entscheidung meines Lebens",
erinnerte sich Belting 2002: „zumal der neugewonnenen Freiheit wegen und der
Möglichkeit wegen, mit kleinen Studentengruppen individuell zu arbeiten. Aber
ich war froh darüber, die Verbindung mit Heidelberg durch eine Honorarprofes-
sur wiederherstellen zu können. Seither habe ich eine ganze Reihe Heidelberger
Magistranden und Doktoranden betreuen können. Auch die Kooperation zwi-
schen den beiden Hochschulen bietet dazu viele Möglichkeiten".
Die 90er Jahre standen von daher für Belting im Zeichen einer Öffnung -
auch hin auf neue Themengebiete. Während seiner Zeit als Fellow am Wissen-
schaftskolleg in Berlin 1994-1995 schrieb er nicht nur das 1998 erschienene Buch
„Das unsichtbare Meisteiwerk. Die modernen Mythen der Kunst", eine Art Ar-
chäologie der Moderne, sondern er vertiefte auch seine zuvor geweckten Inter-
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